Full text: Prosa für das Seminar (Teil 2, [Schülerband])

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Prosa. A. Darstellungen, Abhandlungen, Betrachtungen 
worden von dem Gange seiner Kultur, sich selbst und das Seine als im 
höheren Geistesleben der Welt nicht hoffähig anzusehen, sich seiner Ichheit 
nach Kräften zu entäußern und — sich ein neues, anderes Ich weit draußen 
herzuholen auf einem Wege, der notwendig die ganzen schweren Gebrechen 
jener gelehrten und verkehrten Abstraktion an sich tragen mußte; denn der 
Weg ging ja geradezu hoch durch die Luft, nur aus zweiter, dritter Hand 
und verkümmert und verdünnt, ja oft verschroben war das Neue, Fremde 
zu beziehen. Wunderliche Aufgabe, wenn man sie so betrachtet! seinen 
eigenen Mittelpunkt aufzugeben und ihn weit aus sich hinaus zu setzen was 
man eigentlich gar nicht kann, es führt nur zu einem Zerreißen des Ich) 
und zwar in einen Boden, der, genau besehen, gar kein wirklicher Grund 
und Boden mehr war, sondern nur noch eine verflüchtigte Insel, die sich 
in Nebelform erhoben hatte und in weiter Ferne in der Luft schwebte! 
Aber nun ist die Zeit gekommen, daß wir von der weiten Luftreise wieder 
in die Heimat voll einziehen können, unseren Mittelpunkt wieder in uns 
selbst versetzen, die Achse der Geisteswelt wieder durch uns selbst gehen 
fühlen und alle geflissentliche Selbstentäußerung abstreifen, um mit dem 
Gewinne von jenem Umwege nun doch wieder mit voller Kraft in einfacher, 
sicherer Richtung nach vorn zu arbeiten! Der Rest des Risses ist all— 
mählich auszufüllen, die Verschmelzung der beiden Mittelpunkte vollends 
durchzuführen. Unsere Dichtung arbeitet schon lange daran, die Wissenschaft 
zum Teil auch schon, und das Unternehmen ist noch nie so hoffnungsvoll 
gewesen als nun nach 1870; aber an keiner Stelle ist zurzeit der Segen 
der werdenden Versöhnung der Volksseele mit sich selbst so leicht zu haben 
als eben in der Volksschule, hauptsächlich im deutschen Unterricht, und jenen 
Riß da geflissentlich offen zu halten, das ist im Grunde ein Frevel an 
unserer Zukunft, die ja eben von der Schule ausgehen muß. Wahrlich, 
niemand kann sich jeßt so gewiß als Vorbereiter uünd Vorfechter für eine 
bessere, schöne, große Zukunft unserer Nation fühlen als der Lehrer des 
Deutschen, der seine Stellung im Gang des Ganzen richtig sieht; tut er 
das, so wird er auch diese Zukunft in sich schon vorfühlen, sie ist ihm schon 
geistige Gegenwart und wird eben dadurch von seinen Lehrstunden aus zur 
wirklichen Gegenwart. Das Hochdeutsch darf durchaus nicht länger als ein 
anderes Latein in der Schule behandelt werden, sondern muß unmittelbar 
in den Dienst jenes hohen Zieles gestellt werden, das wir nun unmittelbar 
in uns selbst haben, nicht mehr bloß vermittelt durch ein fremdes Bildungs— 
ideal. Der Gewinn, um dessentwillen einst der ganze bildungsuchende Teil 
des Volkes Latein lernte, der ist nun auch für die anderen, ja in gewissem 
Sinne für das ganze Volk im eigenen Hause zu haben und zwar tiefer, 
voller, rascher, weil näher und ohne die Ümwege gelehrter Vermittelung, 
dazu mit ganz anderen Wurzeln, die ja nun die ganze Breite der Nation 
zur Ausbreitung und Vertiefung finden, und denen gegenüber die Wurzeln 
jener gelehrten Bildung, vom Mutterlande getrennt, wie Luftwurzeln er— 
scheinen.
	        
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