Wesen, Entstehung und Umgestaltung der deutschen Heldensage Z5
zuschlagen, aus Verzweiflung über das Geschick seines Volkes sich in
sein Schwert stürzte.
Nächst ihm ward der Burgundenkönig G u n d i c a r i u s (= Günther)
ein Gegenstand der Sage: er hatte sich im Rheingebiet ein mächtiges
Reich gegründet, in den fruchtbaren Fluren um Speier, lvorms und
Mainz. Hier griff ihn der römische Statthalter von Gallien, Aötius,
im Bunde mit den Hunnen an und brachte ihm ^73 eine vernichtende
Niederlage bei: 20 000 Burgunden, darunter König Gundicarius, blieben
auf der bvalstatt; der Rest der Burgunden zog sich nach Savoyen zurück.
Zu derselben Zeit herrschte der Hunnenkönig Attila (= Ltzel)
über ein weites Reich; wohin er den Fuß setzte, trat er die ihm wider¬
stehenden Völker durch seine Übermacht nieder; als „Gottesgeißel" setzte
er die lvelt in Schrecken. Unter seinem Banner fochten notgezwungen
auch germanische Völker, die Ostgoten, Gepiden, Heruler, lvie sein Name
gotisch ist (Attila = Väterchen, ebenso wie die Russen noch jetzt ihren
Zaren „Väterchen" nennen), so ist auch sein Hos gotisch eingerichtet;
an seinem Hose weilt der Gstgotenkönig Theodemir. Zn der furchtbaren
Völkerschlacht aus den katalaunischen Feldern (^5lQ wird seine Macht
von Aetius und den lvestgoten gebrochen. Gr dringt im nächsten Jahre
zwar noch in Italien ein und bedroht Rom, dann aber fliegt ^53 durch
die erstaunt aushorchende Ivelt die Kunde, er sei von seiner Gemahlin
Hildiko (Ildiko) in der Brautnacht ermordet worden. Mit Attila tritt
auch sein Bruder Bloda als Blödelin in die deutsche Sage ein.
Der gefeiertste Held der deutschen Sage aber ward der Oftgoten¬
könig Theodorich der Große (= Dietrich von Bern), der nach drei¬
jähriger Belagerung Ravennas den G d o a k e r, welcher das Grbe der
römischen Kaiser an sich gerissen hatte, ^3 niederstieß und dann als
mächtigster König der germanischen Völker über Italien und die Donau¬
länder herrschte.
Aber da die Überlieferung von diesen geschichtlichen Persönlichkeiten
nur mündlich von Geschlecht zu Geschlecht durch die Lieder der Sänger
sich fortpflanzte, so ist es nur natürlich, daß die ursprünglich der Sage
Zu Grunde liegenden geschichtlichen Züge die mannigfachsten Umgestal¬
tungen erfuhren. Mit den Sängern wanderten auch die Lieder von
Gtamm zu Stamm weiter; die Sänger brachten die einzelnen Haupt-
helden in Verbindung miteinander, in freundliche oder feindliche Bezie¬
hungen, unbekümmert darum, ob der eine einem früheren, der andere
einem späteren Jahrhundert angehört hatte; wie bei allen Völkern, so
setzt sich auch bei den Deutschen die Heldensage über die Thronologie
3*