174
Aus „VDberon“).
5. Gesang.
Herr Hüon hatte kaum das letzte Wort ge⸗
sprochen,
So fängt der alte Schach wie ein Besessner al
Zu schrei'n, zu stampfen und zu pochen.
Und sein Verstand tritt gänzlich aus der Bahn
Die Heiden all' in tollem Eifer springen
Von ihren Sitzen auf mit Schnauben und mil
Dräun,
Und Lanzen, Säbel, Dolche dringen
Auf Mahoms Feind von allen Seiten ein.
Doch Hüon, eh' sie ihn erreichen, reißt in
Eile
Der Männer einem rasch die Stange aus de
Hand,
Schlägt um sich her damit als wie mit einel
Keule,
Und zieht, stets fechtend, sich allmählich a
die Wand.
Ein großer, goldner Napf, vom Schenktisch
weggenommen,
Dient ihm zugleich als Schild und als Gewehr
Schon zappeln viel am Boden um ihn hel,
Die seinem Grimm zu nah' gekommen.
Der gute Scherasmin, der an der Thint
fern
Zum Schutz der Schönen steht, glaubt seinel
ersten Herrn
Im Schlachtgedräng zu sehn, und überlãß
voll Freude
Sich einen Augenblick der süßen Augenweide:
Doch bald zerstreut den angenehmen Wahn
Des Fräuleins Angstschrei; er sieht der Heidel
Rasen,
Sieht seines Herrn Gefahr, setzt flugs das
Hifthorn an
Und bläst, als läg' ihm ob, die Todten auß
zublasen.
Die ganze Burg erschallt davon und kracht
Und stracks verschlingt den Tag die fürchtel⸗
lichste Nacht,
Gespenster lassen sich wie schnelle Blitze sehen
Und unter stetem Donner schwankt
„Kalif von Bagdad“, spricht der Ritter
Mit edlem Stolz; „laß alles schweigen hier
Und höre mich! Es liegt schon lange schwer
auf mir
Karls Auftrag und mein Wort. Des Schick—
sals Zwaͤng ist bitter:
Doch seiner Oberherrlichkeit
Sich zu entziehen, wo ist die Macht auf Erden?
Was er zu thun, zu leiden uns gebeut,
Das muß gethan, gelitten werden.
Hier steh' ich, Herr, ein Sterblicher wie du,
Und steh' allein, mein Wort, trotz allen deinen
Wachen,
Mit meinem Leben gut zu machen;
Doch läßt die Ehre mir noch einen Antrag zu:
Entschließe dich, von Muhamed zu weichen,
Erhöh' das heil'ge Kreuz, das edle Christen—
zeichen,
In Babylon, und nimm den wahren Glauben
an,
So hast du mehr, als Karl von dir begehrt,
gethan.
Dann nehm' ich's auf mich selbst, dich völlig
loszusprechen
Von jeder andern Forderung,
Und der soll mir zuvor den Nacken brechen,
Der mehr verlangt. So einzeln und so jung
Du mich hier siehst, was du bereits erfahren,
Verkündigt laut genug, daß einer mit mir ist,
Der mehr vermag als alle deine Scharen.
Wähl' jetzt das beste Theil, wofern du weise
bist.“
Indes, an Kraft und Schönheit einem
BVoten
Des Himmels gleich, der jugendliche Held,
Uneingedenk der Lanzen, die ihm drohten,
So mannhaft spricht, so muthig dar sich stellt,
Beugt Rezia von fern, mit glůhend rothen,
Entzückten Wangen, liebevoll
Den schönen Hals nach ihm, doch schaudernd,
wie der Knoten
Von all' den Wundern sich entwickeln soll.
) Hüon, Herzog von Guyenne, hat von Kaiser Karl dem Großen eine schwere Aufgabe erhalten
Er soll nach Babylon ziehen, dort bei Gelegenheit eines Festmahles in den Saal des Kalfen treten
dem zu dessen Linken sitzenden Emir den Kopf abschlagen, dann des Kalifen Tochter Rezia als sein
Braut erklären und sich endlich von dem Kalifen vier Backenzäͤhne und eine Hand vol yan
aus seinem Barte zum Geschenke für Kaiser Karl erbitten Hüon macht sich in vegleitung seine
alten Dieners Scherasmin auf den Weg, erfüllt mit Hilfe des Elfenkönigs Oberon, der ihm
Wunderhorn und einen Zauberbecher geschenkt hat, seinen Auftrag und kehrt nach langen N
fahrten wohlbehalten zurück.