2 —
12*
H
J
bas Schiller durch eigene Erfahrung gewann, das ergriff er mit einem Blick, der
hn hernach auch das anschaulich machte, was ihm bloß fremde Schilderung zuführte.
dabel versäumte er nie, zu jeder Arbeit Studien durch Lektüre zu machen; auch was
in dieser Art Dienliches zuͤfällig fand, prägte sich seinem Gedächtnisse fest ein, und
eine rastlos angestrengte Phantasie, die in beständiger Lebendigkeit bald diesen, bald
enen Theil des irgendje gesammelten Stoffes bearbeitete, ergänzte das Mangelhafte
mer so mittelbaren Auffassung.
Auf ganz ähnliche Weise eignete er sich den Geist der griechischen Dichtung an,
hhne sie je anders als aus Uebersetzungen zu kennen. Er scheute dabei keine Mühe;
mzog die Uebersetzungen vor, die darauf Verzicht leisten, für sich zu gelten; am
sebsten waren ihm die wörtlichen lateinischen Paraphrafen. Die Kraniche des
ylus und das Siegesfest tragen die Farben des Alterthums so rein und treu an
ich als man es nur von irgendeinem modernen Dichter erwarten kann, und zwar
uf die schönste und geistvollsste Weise. Der Dichter hat den Sinn des Alterthums
un sich aufgenommen, er bewegt sich darin mit Freiheit, und so entspringt eine neue,
mallen ihren Theilen nur ihn athinende Dichtung. Beide Stücke stehen aber wieder
nr einem merkwürdigen Gegensatze gegen einander. Die Kraniche des Ibykus erlaubten
ine ganz epische Ausführung; was den Stoff dem Dichter innerlich werth machte,
bar die daraus hervorspringende Idee der Gewalt künstlerischer Darstellung über die
lenschliche Brust. Diese Macht der Poesie, einer unsichtbaren, bloß durch den Geist
haffenen. in der Wirklichkeit verfliegenden Kraft, gehörte wesentlich in den Ideen—
es, der Schiller lebendig beschäftigte. Schon acht Jahre, ehe er sich zur Ballade in
hnt gestaltete, schwebte ihm dieser Stoff vor, wie deutlich in den „Künstlern“ aus
den Versen hervorgeht: „Vom Eumenidenchor geschrecket, zieht sich der Mord, auch
lie entdecket, das Loos des Todes aus dem Lied. Diese Idee erlaubte aber auch
me vollkommen antike Ausführung; das Alterthum besaß alles, um sie in ihrer
Reinheit und Stärke hervortreten zu lassen. Daher ist alles in der ganzen
Mählung unmittelbar aus ihm entnommen, besonders das Erscheinen und der
besang der Eumeniden. Der bekannte Aeschylische Chor ist so kunstvoll in die
noderne Dichtungsform in Reim und Silbenmaß verwebt, daß nichts von seiner
lillen Größe aufgegeben scheint. Das Siegesfest ist lyrischer und betrachtender Natur.
diet konnte und mußte der Dichter aus der Fülle seines Busens hinzufügen, was
licht im Ideen- und Gefühlskreise des Alterthums lag. Aber im übrigen ist alles
n Sinne der Homerischen Dichtung ebenso rein als in dem anderen Gedichte. Das
hange ist nur wie in einer höheren, mehr abgesondert gehaltenen Geistigkeit aus—
Lpraͤgt, als dem alten Sänger eigen ist, und erhält gerade dadurch seine größten
Shdnheiten. An einzelnen aus den Alten entnommenen Zügen, in die aber oft
ine höhere Bedeutung gelegt ist, sind auch frühere Gedichte Schillers reich. Ich
wähne hier nur die Schilderung des Todes aus den „Künstlern“, „den sanften
bogen der Nothwendigkeit“, der so schön an die äyuνα αναο (die sanften Geschosse)
bi Homer erinnert, wo aber die Uebertragung des Beiwortes vom Geschoß auf den
bogen selbst dem Gedanken einen zarteren und tieferen Sinn gibt.
Die Zuversicht in das Vermögen der menschlichen Geisteskraft, gesteigert zu
inem dichterischen Bilde, ist in den „Columbus“ überschriebenen Distichen ausgedrückt,
se zu dem Eigenthümlichsten gehören, was Schiller gedichtet hat. Dieser Gläube an
dem Menschen unsichtbar inwohnende Kraft, die erhabene und so tief wahre An—
iht, daß es eine innere, geheime Uebereinstimmung geben muß zwischen ihr und der
s ganze Weltall ordnenden und regierenden, da alle Wahrheit nur Abglanz der
wigen, uͤrsprünglichen sein kann, war ein charakteristischer Zug in Schillers Ideen—
ien Ihm entsprach auch die Beharrlichkeit, mit der er jeder intellektuellen Auf—
so lange nachging, bis sie befriedigend gelöst war. Schon in den „Briefen
aphaels an Julius“ in der „Thalia“ in dem kühnen, aber schönen Ausdruck: „als
Kehru. Kriebitzsch, Deutsches Lesebuch. IV.
2