Full text: Von Goethe bis zur Gegenwart (Band 2, [Schülerband])

164 ßSßSlßSJßSJßsj Johann Gottlieb sichte. LLLQL2ILQL2LQILQ 
jemals ein besseres Geschlecht beginnen? Der Schmelz der Jugend 
zwar wird von euch abfallen, und die Flamme eurer Einbildungs¬ 
kraft wird aufhören, sich aus sich selber zu ernähren: aber fasset diese 
Flamme und verdichtet sie durch klares Denken, macht euch zu eigen 
die Kunst dieses Denkens, und ihr werdet die schönste Ausstattung des 
Menschen, den Charakter, noch zur Zugabe bekommen. An jenem 
klaren Denken erhaltet ihr die Quelle der ewigen Jugendblüte; wie 
auch euer Körper altere oder eure Kniee wanken, euer Geist wird in 
stets erneueter Frischheit sich wiedergebären und euer Charakter fest¬ 
stehen und ohne Wandel. Ergreift sogleich die sich hier euch dar¬ 
bietende Gelegenheit; denkt klar über den euch zur Beratung vor¬ 
gelegten Gegenstand; die Klarheit, die in einem Punkte für euch an¬ 
gebrochen ist, wird sich allmählich auch über allen übrigen verbreiten. ... 
Euch Deutsche insgesamt, welchen Platz in der Gesellschaft ihr 
einnehmen möget, beschwören diese Reden, daß jeder unter euch, der da 
denken kann, zuvörderst denke über den angeregten Gegenstand, und 
daß jeder dafür tue, was gerade ihm an seinem Platze am nächsten liegt. 
Es vereinigen sich mit diesen Reden und beschwören euch eure 
Vorfahren. Denket, daß in meine Stimme sich mischen die Stimmen 
eurer Ahnen aus der grauen Vorwelt, die mit ihren Leibern sich ent¬ 
gegen gestemmt haben der heranströmenden römischen Weltherrschaft, 
die mit ihrem Blute erkämpft haben die Unabhängigkeit der Berge, 
Ebenen und Ströme, welche unter euch den Fremden zur Beute ge¬ 
worden sind. Sie rufen euch zu: Vertretet uns, überliefert unser 
Andenken ebenso ehrenvoll und unbescholten der Nachwelt, wie es 
auf euch gekommen ist, und wie ihr euch dessen und der Abstammung 
von uns gerühmt habt! Bis jetzt galt unser Widerstand für edel 
und groß und weise, wir schienen die Eingeweihten zu sein und die 
Begeisterten des göttlichen Weltplans. Gehet mit euch unser Geschlecht 
aus, so verwandelt sich unsre Ehre in Schimpf und unsre Weisheit 
in Torheit. Denn sollte der deutsche Stamm einmal untergehen in 
das Römertum, so war es besser, daß es in das alte geschähe, denn 
in ein neues. Wir standen jenem und besiegten es; ihr seid verstäubt 
worden vor diesem. Auch sollt ihr nun, nachdem einmal die Sachen 
also stehen, sie nicht besiegen mit leiblichen Waffen; nur euer Geist 
soll sich ihnen gegenüber erheben und aufrecht stehen. Euch ist das 
größere Geschick zuteil worden, überhaupt das Reich des Geistes uud 
der Vernunft zu begründen und die rohe körperliche Gewalt ins¬ 
gesamt, als Beherrschendes der Welt, zu vernichten. Werdet ihr dies 
tun, dann seid ihr würdig der Abkunft von uns! 
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