Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

360 1IV. Aus der Geschichte der Landwirtschaft und des Vaterlandes. 
Enkel, ei, da muß es einem ja bald heimisch werden, zumal, wenn 
man nach des Tages Last und Hitze mit dem lieben Nachbar sein 
Pfeifchen rauchen und ein Feierabendstündchen verplaudern kann. Doch 
sage mir noch, wie steht's mit dem gemeinsamen Leben dort in 
der Gemeinde, Kirche und Schule?“ „Das ist bald gesagt,“ fuhr 
ich fort. „Kommt ein Gut zur Aufteilung, so wird gewöhnlich der 
zwanzigste Teil des Grundbesitzes, so zwischen 70—80 Morgen, als 
sogenanntes Gemeindeland — Allmende nannte man diesen gemein— 
samen Besitz der Gemeinden früher — vorweg ausgeschieden. Dadurch 
ist die Gelegenheit geschaffen, daß sich auch kleine Leute oder, wer 
sonst Lust hat, noch etwas pachten können. Die Pacht sowie die 
Miete für etwa vorhandene Fischteiche und sonstige Dinge, die nicht 
gut mit parzelliert werden können, fließt in die Gemeindekasse. Für 
den Gemeindevorsteher, gewöhnlich dort Schulze genannt, werden einige 
Morgen als Besoldung ausgeworfen. Auch Kirchen und Schulen werden 
mit Land bedacht. Ein besonderes Augenmerk richtet der Staat mit 
Recht auch auf das Gemeinde-Wirtshaus. Er baut es selbst, 
stattet es mit Land aus und verpachtet den „Krug“ dann an einen 
in jeder Beziehung zuverlässigen Mann; kein anderer darf eine Wirt— 
schaft im Dorfe anfangen. Gewöhnlich hat der Gemeinde-Gastwirt 
auch einen Kramladen, so daß er sein gutes, rechtliches Auskommen 
findet. Im Gasthaus ist dann meist auch ein hübscher, heizbarer Saal, 
in dem der Gemeinderat tagt, auch Versammlungen und Volksfeste 
abgehalten werden. Es soll den Ansiedlern auch Gelegenheit zu einem 
Tänzchen in Ehren nicht fehlen. Aus der Gemeindekasse werden 
gemeinnützliche Anstalten, wie Bullen- und Eberstationen u. dergl. 
unterhalten. Auch Sparkassen und Genossenschaften verschiedener 
Art wurden gegrüuͤndet. 
„Aber,“ forschte der Brinkhöfer weiter, „da kommen nun doch 
wohl Menschen aus aller Herren Ländern zusammen; wie steht's denn 
da mit dem gemeinsamen Leben in Kirche und Schule, wie 
steh's mit den kirchlichen Verhältnissen? Führt das nicht zu 
Unzuträglichkeiten?“ — „Ihr müßt da wissen,“ fuhr ich fort, „daß 
der Staat von vornherein die Dörfer nach den Konfessionen scheidet. 
Wo Evangelische angesiedelt werden, läßt man keine Katholiken zu, 
und umgekehrt. Nicht jedes Dorf kann seine Kirche bekommen; aber 
jede Gemeinde erhält eine Schule seiner Konfession, und gewöhnlich 
ist dem Schulhaus auch ein Betsaal zu gemeinsamen Gottesdiensten 
angebaut. Kurz, es geschieht alles, was zum leiblichen und geistigen 
Wohlergehen der Ansiedler erforderlich ist. Und so sind denn bis jetzt 
auch bereits über 2000 Familien dort angesiedelt. Sie stammen aus 
allen Ecken und Enden des lieben Vaterlandes. Neben dem Badenser 
wohnt der Mecklenburger; Rheinländer und Westfalen, Hannoveraner 
und Hessen, Schlesier und Sachsen, Brandenburger und Pommern 
reichen sich als Nachbarn die Hand. Wohin man dort kommt, überall 
findet man tüchtige, prächtige Menschen, die mit ihrem Schicksal im 
allgemeinen sehr zufrieden sind. Allerdings gibt's auch unter den
	        
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