freundlichen Ruhestelle wird man plötzlich durch den Anblick des Kirch¬ 
hofes mit seinen Grabhügeln und Kreuzen überrascht. Er liegt rechts 
den Gärten gegenüber und ist von diesen getrennt durch eine tiefe 
und breite Schlucht, durch welche der Fahrweg führt. Der Fußpfad 
lauft schräg und jäh in dieselbe hinein. Sie teilt sich unten in 
mehrere Seitenschluchten, so daß es in der Tiefe recht schauerlich aus¬ 
sieht. Kommt man aber aus der andern Seite wieder empor, dann 
hat man den Kirchhof gerade hinter sich und wandert durch Frucht- 
felder einen sanft aufsteigenden Hügel hinan. Beim Rückblicke sieht 
man links vom Kirchhofe in ein enges, sehr grasreiches Wiesenthal, 
und je höher man steigt, desto freundlicher und bunter wird die Aus¬ 
sicht, die sich hinter einem bildet. Auf der Höhe des Hügels habe 
ich meinen Hauptstillstand, denn von hier kann ich die ganze Umge¬ 
bung meiner Heimat übersehen? Von den Häusern jedoch sehe ich 
keines; sie liegen zwischen Bäumen versteckt. Nur der Turm, die 
Kirche und die Schule, welche höher stehen, ragen mit ihrem weißen 
Mauerwerk und den blauen Schieferdächern hervor. Auf der andern 
Seite des Hügels sieht man das freundliche Dörfchen, das nur aus 
sieben Häusern besteht, tief im Thale zwischen hohen Bäumen schim¬ 
mern. Der Fußpfad führt so lieblich und bequem zu demselben hinab, 
daß es einem zu Mute wird, als müsse mau in kindlichem Trabe 
hinunter laufen. 
Als ich einmal mit meiner Mutter das Dörfchen besuchen wollte 
und wie gewöhnlich bei unserer Kirche stehen blieb, sagte sie: „So 
lst's recht! Aller Anfang mit Gott! In dieser Kirche bist du getauft 
worden!" Diese Bedeutung meines Stillstehens war mir noch nie 
zum Bewußtsein gekommen. Als ich daher an die Schule kam und 
bedachte, daß hier der zweite Abschnitt meiner Jahre begonnen habe, 
da erschien mir plötzlich der ganze Pfad wie ein Sinnbild des Lebens¬ 
ganges. Alles wurde mir bedeutsam: der Baumgarten zur rechten 
und der Spielplatz zur linken Seite, die langsam anhebenden Dorn¬ 
hecken, der dunkle Gang, das ferne Lichtschimmern, die grüne Tanne, 
die Feldmark den Hügel hinaus, das liebliche Ruhepkätzchen mit den 
überschattenden Obstbäumen, der Kirchhof, die Schlucht, die sich er¬ 
weiternde Aussicht beim Rückblicke, der Weg durch Fruchtfelder, die 
offene Höhe und der rasch zum Ziele abeilende Pfad.