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nannt. Aus dieser sollten der Gemeinde Betrachtungen vorgelesen
werden.
3. Karls Sorge für die äußere Wohlfahrt feines Volkes. Über
die großen Angelegenheiten des Reiches vergaß Karl nicht die kleinen
des Hauses. Auf seinen Gütern herrschte die größte Ordnung. Er
gab seinen Verwaltern selbst Anweisungen, wie Butter, Käse, Honig
und Wachs bereitet, wie Wein gepreßt, Bier gebraut, wie viel "Eier,
Gänse, Enten und Hühner verkauft werden sollten. Zu Weihnachten
mußten die Verwalter genau Rechenschaft ablegen über alle Einnahmen
und Ausgaben. Um den Ackerbau zu fördern, ließ er Dörfer anlegen,
Wälder ausrotten. Sümpfe trocknen und öde Strecken in frucht¬
tragende Felder umwandeln. Den Handel begünstigte er durch An¬
legung von Straßen, Brücken und Kanälen sowie durch Einführung
gleichen Maßes und Gewichtes.
4. Karls geistige Bestrebungen. Geistige Bildung schätzte Karl
sehr hoch. Noch als Mann bemühte er sich, das Schreiben zu lernen;
doch brachte seine des Schwertes gewohnte Hand es darin zu keiner
besonderen Fertigkeit. Eifrig las er fromme Bücher und Helden¬
geschichten. Seine Muttersprache liebte er über alles. Er ließ
die alten deutschen Volks- und Heldenlieder sammeln und gab
den Winden und Monaten deutsche Namen. Auch gebot er, daß das
Volk das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis in der Mutter¬
sprache auswendig lernte und daß nur in dieser gepredigt würde.
Gern verkehrte er mit gelehrten Männern, berief die tüchtigsten an
feinen Hof und ließ seine Söhne von ihnen unterrichten; denn diese
sollten nicht bloß in allen ritterlichen Übungen, sondern auch in den
Wissenschaften gründliche Unterweisungen haben. Seine Töchter hin¬
gegen beschäftigten sich nach guter alter Sitte mit Wollarbeiten,
Spinnen und Weben.
5. Karls Tod (814). Karl wohnte am liebsten zu Aachen. Die
letzten Jahre seines Lebens wurden leider getrübt durch den Tod
seiner beiden hoffnungsvollsten Söhne Karl und Pipin. Als der
große Kaiser sein Ende herannahen fühlte, ließ er seinen noch übrigen
Sohn Ludwig nach Aachen kommen, legte ihm in der Marienkirche
in Gegenwart der Großen des Reichs und einer großen Volksmenge
die wichtigen Pflichten eines Regenten ans Herz und fragte ihn dann,
ob er dieselben erfüllen wolle. Ludwig versprach es unter Thränen.
„Wohlan denn, so setze Dir selbst die Krone auf und stets möge sie
Dich an Dein Versprechen erinnern!" sprach der alte Kaiser. Er
wollte durch diese Krönung zeigen, daß sein Sohn Krone und Reich
von. Gottes Gnaden empfangen habe. Bald darauf erkrankte der
i 2jährige Kaiser und starb mit den Worten: „Vater, in Deine Hände
befehle ich meinen Geist." In dem prachtvollen Dome zu Aachen
wurde er bestattet. Sechs und vierzig Jahre hatte er zum Segen
seines Volkes regiert. Die Dichter verherrlichten ihn in Liedern und
priesen ihn als den ersten Helden, die Bürger verehrten in ihm den
Wollschlager, Weltgeschichte. g