I. Volkslieder. M. Das Sterben.
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4. Draus sah ich Perlen fließen
Und Tröpflein rosenrot.
Was niag der Traum bedeuten?
Ach Liebster, bist du tot?
73. Die Toten reiten schnell.
18. Jahrhundert. Wird vielfach für das Original zu Bürgers „Lenore" gehalten.)
1. Es stehn die Stern' am Himmel,
Es scheint der Mond so hett,
Die Toten reiten schnell.
2. „Mach' aus, mein Schatz, dein
Fenster,
"aß mich zu dir hinein!
Kann nicht lang' bei dir sein.
3. „Der Hahn, der tät schon krähen,
Er singt uns an den Tag;
Nicht lang' mehr bleiben mag.
4. „Weit bin ich hergeritten,
Zweihundert Meilen weit
Muß ich noch reiten heut'.
5. „Herzallerliebste meine,
Komm, setz' dich auf mein Pferd!
Der Weg ist Reitens wert.
6. „Tort drin im Ungerlande
Hab' ich ein kleines Haus,
Da geht mein Weg hinaus.
7. „Auf einer grünen Heide,
Da ist mein Haus gebaut
Für mich und meine Braut.
8. „Laß mich nicht lang' mehr war¬
ten !
Komm, Schatz, zu mir herauf,
Weil fort geht unser Lauf!
9. „Die Sternlein tun uns leuchten,
Es scheint der Mond so hell,
Die Toten reiten schnell." —
10. „Wo willst mich denn hinführen?
Ach Gott, was hast gedacht
Wohl in der finstern Nacht?
11. „Mit dir kann ich nicht reiten,
Dein Bettlein ist nicht breit,
Der Weg ist auch zu weit.
12. „Allein leg' du dich nieder,
Herzallerliebster, schlaf'
Bis an den jüngsten Tag!"
74. Der tote Liebste.
(19. Jahrhundert.)
1. Es ging ein Knäblein sachte
Wohl an das Fensterlein:
Schon Liebchen, bist du drinnen?
Steh auf und laß mich ein!"
2. „Ich kann mit dir wohl sprechen,
Einlassen darf ich dich nicht;
Bin schon mit einem versprochen,
Keinen andern mag ich nicht." —
3. „Mit dem du bist versprochen,
Schön Liebchen, der bin ich;
Reich' mir dein schneeweiß Händchen,
Vielleicht erkennst du mich." —
4. „Du riechst mir ja nach Erde,
Vermeine, du bist der Tod." —
„Soll ich nicht riechen nach Erde,
Wenn ich habe drunter gelegen?
5. „Weck' auf deinen Vater imb Mutter,
Weck' auf die Freunde dein;
Grün Kränzlein sollst du tragen
Bis in den Himmel hinein."