I
m
jn den Lehnstuhl zurück. Bald raffte er sich wieder auf, und indem er hastig mehrere
leere Blätter des Buches umschlug, sagte er mit dumpfer Stimme:
^ „Alles dieses, mein Herr, habe ich geschrieben, als ich aus dem Reiche der
^räume kam. Aber ich verriet Unheiligen das Heilige, und eine eiskalte Hand
küßte in dies glühende Herz. Es brach nicht; da wurde ich verdammt, zu wandeln *
unter den Unheiligen wie ein abgeschiedener Geist — gestaltlos, damit mich niemand
kenne, bis mich die Sonnenblume wieder emporhebt zu dem Ewigen. — Ha — jetzt
lassen Sie uns Armidens Scene singen!"
Nun sang er die Schlußscene der Armida mit einem Ausdrucke, der mein
innerstes durchdrang. Auch hier wich er merklich von dem eigentlichen Originale w
ab: aber seine veränderte Musik war die Glucksche Scene gleichsam in höherer Potenz.
Mes, was Haß, Liebe, Verzweiflung, Raserei in den stärksten Zügen ausdrücken
kann, faßte er gewaltig in Töne zusammen. Seine Stimme schien die eines Jünglings,
denn von tiefer Dumpfheit schwoll sie empor bis zur durchdringenden Stärke. Alle
weine Fibern zitterten — ich war außer mir. Als er geendet hatte, warf ich mich ^
chm in die Arme und rief mit gepreßter Stimme: „Was ist das? wer sind Sie?" —
Er stand auf und maß mich mit ernstem, durchdringendem Blicke; doch als ich
weiter fragen wollte, war er mit dem Lichte durch die Tür entwichen und hatte
mich im Finstern gelassen. Es hatte beinahe eine Viertelstunde gedauert; ich ver¬
zweifelte, ihn wieder zu sehen, und suchte, durch den Stand des Klavieres orientiert, 20
die Tür zu öffnen, als er plötzlich in einem gestickten Galakleide, reicher Weste,
den Degen an der Seite, mit dem Lichte in der Hand hereintrat.
Ich erstarrte: feierlich kam er auf mich zu, faßte mich sanft bei der Hand und
wgte sonderbar lächelnd: „Ich bin der Ritter Gluck!"
d. Beethovens Instrumentalmusik. 2s
Lbendas., S. 55.
Gewiß nicht allein in der Erleichterung der Ausdrucksmittel (Vervoll¬
kommnung der Instrumente, größere Virtuosität der Spieler), sondern in dem tieferen,
innigeren Erkennen des eigentümlichen Wesens der Musik liegt es, daß geniale Kom¬
ponisten die Instrumentalmusik zu der jetzigen Höhe erhoben. 30
Mozart und Haydn, die Schöpfer der jetzigen Instrumentalmusik, zeigten uns
Zuerst die Kunst in ihrer vollen Glorie; wer sie da mit voller Liebe anschaute und
eindrang in ihr innigstes Wesen, ist — Beethoven! — Die Jnstrumentalkompositionen
uller drei Meister atmen einen gleichen romantischen Geist, welcher in dem gleichen
innigen Ergreifen des eigentümlichen Wesens der Kunst liegt; der Charakter ihrer 35
Kompositionen unterscheidet sich jedoch merklich. — Der Ausdruck eines kindlichen,
heiteren Gemütes herrscht in Haydns Kompositionen. Seine Symphonieen führen
uns in unabsehbare grüne Haine, in ein lustiges, buntes Gewühl glücklicher Menschen.
Jünglinge und Mädchen schweben in Reihentänzen vorüber; lachende Kinder, hinter
Bäumen, hinter Rosenbüschen lauschend, werfen sich neckend mit Blumen. Ein Leben 10
voll Liebe, voll Seligkeit, wie vor der Sünde, in ewiger Jugend; kein Leiden, kein
Schmerz, nur ein süßes, wehmütiges Verlangen nach der geliebten Gestalt, die in
per Ferne im Glanze des Abendrotes daherschwebt, nicht näher kommt, nicht ver¬
schwindet; und solange sie da ist, wird es nicht Nacht, denn sie selbst ist das
Abendrot, von dem Berg und Hain erglühen. — «
In die Tiefen des Geisterreiches führt uns Mozart. Furcht umfängt uns,
über ohne Marter ist sie mehr Ahnung des Unendlichen. Liebe und Wehmut tönen
M holden Geisterstimmen; die Nacht geht auf in hellem Purpurschimmer, und in
unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir nach den Gestalten, die freundlich uns in
chve Reihen winkend, in ewigem Sphärentanzc durch die Wolken fliegen. (Mozarts 5a
^hmphonie in Ls-ckur, unter dem Namen des Schwanengesanges bekannt.)
22*