Full text: Für die Oberstufe der Seminare und zur Weiterbildung für Lehrer (Band 4, [Schülerband])

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Lindau. Sein Sie mir herzlich gegrüßt, alle, alle. Ei lieber Arnolf, Sie bringen 
die blühende Jugend in das alternde Haus. 
Walburg. Herr Oberst, mein Mann hat mir gesagt, daß Sie uns freundlich zur 
Seite stehen wollen; nehmen Sie unseren herzlichen Dank dafür. 
Lindau. Nichts von Dank! Gelingt es uns, meinen alten Freund aus seiner Starr¬ 
heit herauszutreiben, so zieht ein neuer Frühling hier ein, und besten warme Strahlen sollen 
auch mir altem Knaben zugute kommen. Doch der Präsident wird gleich zurückkehren, darum 
rasch Platz genommen! Gnädige Frau, hierher. 
Arnolf. Wohl, so setzt euch! 
Alle (setzen sich an den Tisch; der Mittelplatz bleibt frei). 
Arnolf. Und merkt euch, Kinder, wenn der Großvater auch anfangs barsch erscheint, 
laßt euch nicht einschüchtern, denn er ist doch von großer Herzensgüte. 
Lindau. Das ist er, wahrhaftig, das ist er. Doch still, er kommt! 
Achter Auftritt. 
^Vorige. Felseck, Lutz.) 
Lutz (bringt eine dampfende Bowle, setzt sie hinten auf den Seitentisch und geht wieder ab). 
F e l s e ck (steht erstaunt). Was ist das? 
Lindau. Du siehst, der alte Kreis ist wieder voll, die Tafel ist besetzt. Aber nicht 
die tote Vergangenheit, die lebensvolle Zukunft umgibt dich. 
Fels eck. Wer find die? Ich kenne sie nicht. 
Arnolf (steht auf). Vater, dein Sohn ist es, der wieder in dein Haus getreten. 
F e l s e ck (stnster). Was willst du? 
Arnolf. Versöhnung! 
Fels eck (hart). Versöhnung? 
Arnolf. Zwanzig Jahre hast du mein Andenken von dir gewiesen, zwanzig Jahre 
bin ich verbannt gewesen aus deinem Hause, aus deinem Herzen, nimm mich wieder aus. 
Fels eck. Was verlangst Du? 
Arnolf. Der König hat amnestiert; was wird der Vater tun? 
Felseck. Wer sind diese? 
Arnolf. Meine Frau. 
F e l s e ck (unwillkürlich wkicher). Deine Frau? 
Arnolf. Meine Kinder. 
F e l s e ck (fbfnso). Deine Kinder? (Geht langsam nach vorn.) 
Walburg. Wir lebten glücklich in unserem Familienkreise durch gegenseitige Liebe, 
doch ein schwarzer Punkt warf einen Schatten auf unser Glück. Der Vater meines Gatten 
zürnte, der Großvater meiner Kinder hatte keinen Segen, hatte kein freundliches Wort für 
sie. Wir sind gekommen, diesen Segen zu erbitten — versagen Sie ihn nicht. 
F elf eck (kämpft noch gegen die Rührung, die ihn nach und nach übermannt). Sie — sprechen gewich¬ 
tige Worte! Und — das sind Ihre Kinder? 
Walburg. Sie sehnen sich, wie ich, ihrem Großvater die Hände zu küssen. 
Fels eck. Wie heißest du ? 
Amalie. Amalie. 
Fels eck (weich). So hieß mein teueres, unvergeßliches Weib. 
Amalie. Nach ihr, nach der Großmutter führe ich den Namen. Ich soll werden, 
wie sie war, sagt mir der Vater täglich; ich will danach streben. 
Fels eck. Tue das, tue das, Amalie. Du scheinst mir ein braves Kind zu sein.— 
Wie heißest du? 
H e r m i n e. Hermine. 
F e l s e ck. Ich heiße auch Hermann. 
Hermine. Darum heiße ich Hermine. Wir haben uns gefreut, zum Großvater zu 
kommen, von dem der Vater immer mit soviel Liebe spricht. 
Kehr u. Kriebitzsch, Deutsches Lesebuch. IV. 
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