I. Geschichte.
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Beschwerde zu führen. Schon längst, sagte mau, sei er von dem Pfade der
Gerechtigkeit, Friedensliebe, Frömmigkeit, Gottesfurcht unb anderer Tugen¬
den, den er anfangs betreten, gewichen und werde twch viel schlimmer werden,
als er sei. Die Mißstimmung gegen die strenge Herrschaft des Kaisers wurde
allgemein; er thronte in einsamer Höhe, gefürchtet nnb gehaßt, ohne den Dattk
und Dienst der Liebe.
Weder treue Einrichtungen des Reichs noch die Zuneigung der wankel-
rnütigen Menge sicherten Heinrich in der unvergleichlichen Macht, die er er¬
reicht; nur allein der Glaube der Welt an sein Glück, der Glanz seiner ge¬
bietenden Persönlichkeit, eine rasche Folge namhafter Siege konnten ihn, wie
sie ihn so hoch erhobeir, unangefochten auf solcher Machthöhe erhalten. Nichts
hatte er nrehr zu fürchten als die Launen des Glücks; jede Niederlage durch
äußere Feinde bedrohte zugleich die Sicherheit seiner Herrschaft im Innern.
Erfolge über Erfolge wurden zur notwendigen Bedingung seiner Erhaltung.
Die Fdee des Kaisertums ihrer vollständigen Verwirklichung im Abendlande
entgegenzutreiben, würde ihm schon durch die Natur seiner Stellung geboten
sein, wären nicht ohnehin alle Triebe seiner Seele nach diesem Ziele gerichtet
gewesen. Hatte er schon von früh an das Kaisertum in dem Sinne einer Welt¬
herrschaft über die lateinische Christenheit aufgefaßt, so stürmte er nun immer
entschiedener auf dieses letzte Ziel seines Strebens hin. Unablässig war er
mit neuen Plänen beschäftigt, um seine kaiserliche Macht zu allgemeiner An¬
erkennung zu bringen mtb die Fürsten und Völker des Abendlandes seinem
Willen zu beugen; dahin richteten sich alle seine Gedanken, dahin zielten alle
seine Arbeiten und Mühen. Nichts hat ihn wohl so sehr von der Verbesserung
der inneren Verhältnisse Deutschlands abgehalten als dieses unausgesetzte
Trachten nach Ausbreitung seiner kaiserlichen Gewalt.
Zwei Wege boten sich dem Kaiser dar, um zu seinem Ziele zu gelangen;
auf dem einen mußten die widerstrebenden Mächte durch die Gewalt der
Waffen gebeugt werden, auf dem andern galt es, sich die Gemüter der Men¬
schen durch die kirchlichen Gewalten zu unterwerfen. Beide Wege hat Heinrich
eingeschlagen, aber den zweiten mit besonderer Vorliebe, da er mehr der
Richtung seines Geistes entsprach und dauernde Erfolge in Aussicht stellte.
Der entscheidendste Schritt auf diesem Wege war die Verbesserung des Papst¬
tums; durch sie glaubte er die Kirche für immer an sich gefesselt zu haben
und jeden Zuwachs derselben an Ehre und Ansehen fortan als eine Erhöhung
seiner eigenen Machtstellung ansehen zu dürfen. Die Kirche wurde das wich¬
tigste Mittel in allen politischen Berechnungen des Kaisers; sie, hoffte er, würde
die ganze abendländische Welt seinem Zepter unterwerfen, Europa von einem
Ende zum anderen dem Kaisertum dienstbar machen. Hatten die deutschen
Bischöfe unter dem zweiten Heinrich das deutsche Königtum befestigen helfen,
so sollte die Kirche jetzt alle Reiche des Abendlandes dem Kaiser zu Füßen
tegen. Das deutsche Papsttum war bestimmt, dem deutschen Kaisertum die
tetzten und höchsten Triumphe zu bereiten.