I. Geschichte.
269
War das Ende des Turniers verkündet und durch die Spielleute aus¬
geblasen, so mußte der Streit sofort aufhören. Dann wurde der Dank an
die verteilt, welche sich nach Meinung von Preisrichtern am besten gehalten,
der Ruhm wurde gemessen nach der Zahl der Durchritte, der verstochenen
Speere und der geworfenen uut> gefangenen Ritter. Wer aber gefangen
war, schlich traurig zu den Juden; beim Roß und Rüstung waren seinem
Gegner verfallen, und er mußte dem Pfandleiher Schmuck versetzen und
Bürgen stellen, um die behandelte Auslösungssumme zu erhalten. Der
hochsinnige Sieger entließ den armen Landfahrer, der sich durch seinen Schild
ernährte, wohl ganz ohne Lösegeld, zuweilen löste der Veranstalter des Tur¬
niers alle Gefangenen beider Parteien. Den: Vornehmen geziemte, seine
Gefangenen niedrig zu schätzen oder gar das Lösegeld den armen Groiern
zu schenken. Das tat die fürstliche Milde des Richard Löwenherz, und diese
Großnmt erhob den Ruhm dieses selbigen Helden über alle Edlen. Achtzehn
Rosse und Rüstungen schlug er aus einem Turnier heraus, und alles überließ
er den Rufern und Wappenschauern an den Schranken. Da wurde mancher
glücklich.
Leider war dieser ritterliche Sinn nicht immer vorhanden, ja es ist er¬
sichtlich, daß die Turniere auch deshalb so massenhafte Teilnahme fanden,
weil sie von Habgierigen als Gewinnquelle behandelt wurden. Und man
sah im Turnierkampf sehr wohl, wohin das Trachten des einzelnen ging,
und unterschied solche, die um Ehre und Lob kämpften, und andere, die als
Dienstmannen einer erwählten Herrin, als „Frauenritter", sich erweisen
wollten; diese trugen gern ein Zeichen geheimer Huld an Helm oder Rüstung:
Schleier, Band, Fessel; sie waren zumeist Speerkänrpfer und zählten die
gebrochenen Lanzen und die Unfälle ihrer Gegner. Aber neben ihnen stachen
und schlugen harte Gesellen, welche, ihrer Faust und der Stärke ihrer Pferde
vertrauend, in das Turnier nur nach Beute zogen; und solchen war die eiserne
Strenge heilsam, mit welcher der Turnierbrauch aufrecht erhalten wurde.
68. Die deutsche Hansa.
Von W. Lensen.
„Aus den Tagen der Hansa." Leipzig 1902.
Seit länger als einem halben Jahrhundert ist das Deutsche Reich ein Herd
rastloser innerer Zwietracht. Die beiden einzigen wirklichen Mächte, die
es einstmals besessen, das staufische Kaisertum und die sächsische Herrschaft
Heinrichs des Löwen, sind längst wesenlos vergangen. Die Kreuzzüge und
Italien haben Deutschlands Kraft nutzlos im Süden vergeudet; in langer
Reihe treten Gegenkaiser widereinander auf, der Sieger kaum mächtiger als
der Besiegte. Rom allein verstärkt durch den deutschen Zwist seine Macht.
Es begünstigt die immer mehr wachsende Unabhängigkeit der Einzelfürsten
des Reiches, kleiner ivie großer. Das Ganze liegt in ohnmächtige Teile