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117. Vom Ursprung der Stadt München.
Franz Trautmann.
Als Kaiser Karolus der Große in uralten Zeiten den baye¬
rischen Herzog Tetzel (Tassilo) vom Thron stieß und in das Kloster
verwies, weil er sich nicht unter fränkischer Herrschaft beugen wollte,
so kamen Herzoge aus anderen Landen an das Regiment und der
letzte derselben war Heinrich der Löwe, welcher Sachsen und Bayern
zugleich inne hatte. Mittlerweile nun Heinrich der Löwe die Herr¬
schaft führte tlnd auf seinen Vorteil bedacht war, bemerkte er, daß
es ihm ungemein nützlich sein möchte, weitn eine gewisse Brücke,
welche bei Böhringen über die Isar ging, statt dessen ein wenig
näher zu stehen kältie, da, wo jetzt München befindlich ist.
Nun umgab der Herzog einen hinlänglichen Bezirk mit Grä¬
ben uitd Mauern, ob auch in viel engerem Raunt, als wir die
Spuren der Stadtmauern heutzutage noch sehen. Dies tat er, um
sich gehörig sicher zu stellen; denn ganz Wohl war ihm bei der Sache
doch nicht. Darauf überfiel er Anno Domini 1156 die besagte
Brücke in einer stillen Nacht — vielleicht war es aber auch am Tag;
die Urkunden sind in diesem Betreff nicht ganz geuail — brach sie
ab und ließ danit eilte andere in der genannten Münchner Ge¬
gend errichten.
Damit erreichte er den Zweck, daß der Bischof Otto von Frei-
singeit, dem die Brücke bei Böhringen zugestanden, den Salzzoll
nicht mehr erheben konnte, vielmehr alle Leute mit diesem Artikel
uitd sonstiger Ware über die Brücke Heinrichs reifen mußten, um
weiter ins Land zu fahren. Dazu kam der Marktzoll und überdies
errichtete der Herzog noch eine Münzstätte.
Über das alles entstand begreiflich keilt kleiner Groll und
Streit; die Sache kmu bis zum Kaiser Friedrich Barbarossa und
der entschied zwei Jahre später zll Glinsten des Herzogs. Er befahl
ihm aber, beu dritten Teil Gewinn an den Bischof von Freisingen
zu bezahlen.
Als nun Heinrich Leo seiner Sache insoweit sicher itnb gewiß
war, zogen sich immer mehr Menschen an den Ort mit der Brücke
und statt etlicher Hütten, welche in der Gegend der heutigen oberen
Kaufingergasse standen, wuchs'eine ganze Ortschaft herall. Dieser
verlieh er einen eigenen Gerichtsstand und später eine Pfarrei lind
mit dem allem wurde München zu einer rechten Stadt.
Wie sehr sich nun die Nachfolger des Freisinger Bischofs be-
mühten, München wieder seine Bedeutung zu nehmen, ja es gar zll
vernichten, so half doch alles ilichts mehr, sondern es kaul immer
mehr in Aufnahme lind blühte fort unb fort in guten und schlechteu
Zeiten, bis die Stadt ihrer vielen schönen Kirchen und frommen
Leute wegen im 18. Jahrhlindert das „Deutsche Rom"- genailut
wurde.