Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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Zufluchtsorte verscheucht, krächzen wildflatternd um fein Haupt;, 
nur die Wolken am Himmel gehen unberührt ihren Pfad über ihn 
hin. Nur die Wolken? Nein. Der kühne Mann auf der Leiter 
geht so unberührt wie sie. Er ist kein eitler Wagling, der frevelnd 
von sich reden machen will; er geht seinen gefährlichen Pfad in 
feinem Berufe. Er weiß, die Leiter ist fest; er selbst hat das flie¬ 
gende Gerüst gebaut; er weiß, es ist fest; er weiß, sein Herz ist 
stark und fein Tritt ist sicher. Er sieht nicht hinab, wo die Erde mit 
grünen Armen lockt; er sieht nicht hinauf, wo vom Zug der Wolken 
am Himmel der tödliche Schwindel herabtaumeln kann auf sein 
festes Auge. Die Mitte der Sprossen ist die Bahn seines Blickes 
und oben steht er. Es gibt keinen Himmel und keine Erde für ihn 
als die Helmstange und die Leiter, die er mit seinem Tau zu 
sammenknüpft. Der Knoten ist geschlungen; die Zuschauer atmen 
auf und rühmen auf allen Straßen den kühnen Mann und sein Tun 
hoch oben zwischen Himmel und Erde. Schieferdecker spielen die 
Kinder der Stadt eine ganze Woche lang. 
Aber der kühne Mann beginnt nun erst sein Werk. Er holt 
ein anderes Tau herauf und legt es als drehbaren Ring unter den: 
Turmknopf um die Stange. Daran befestigt er den Flaschenzug 
mit drei Kloben, an den Flaschenzug die Ringe seines Fahrzeuges. 
Ein Sitzbrett mit zwei Ausschnitten für die herabhängenden Beine, 
hinten eine niedrige gekrümmte Lehne, hüben und drüben Schiefer-, 
Nagel- und Werkzeugkasten, zwischen den Ausschnitten vorn das 
Haueisen, ein kleiner Amboß, darauf er mit dem Deckhammer die 
Schiefer zurichtet, wie er sie eben braucht: dies Gerät, von vier 
starken Tauen gehalten, die sich oberhalb in zwei Ringe für den 
Haken des Flaschenzuges vereinigen, das ist der Hängestuhl, wie er 
es nennt, das leichte Schiff, mit dem er hoch in der Luft das Turm¬ 
dach umsegelt. Mittelst des Flaschenzuges zieht er sich mit leichter 
Mühe hinauf und läßt sich herab, so hoch und tief er mag; der Ring 
oben dreht sich mit Flaschenzug und Hängestuhl, nach welcher Seite 
er will, um den Turnt. Ein leichter Fußstoß gegen die Dachfläche 
setzt das Ganze in Schwung, den er einhalten kann, wo es ihm ge¬ 
fällt. Bald bleibt kein Menschenkind mehr unten stehen und sieht 
herauf; der Schieferdecker und sein Fahrzeug sind nichts Neues 
mehr. Die Kinder greifen wieder zu ihren alten Spielen. Die 
Dohlen gewöhnen sich an ihn; sie sehen ihn für einen Vogel an, wie 
sie sind, nur größer, aber friedlich wie sie, und die Wolken hoch am 
Himmel haben sich nie um ihn gekümmert. Wer könnte so frei über 
die grüne Ebene hinsehen und wie Berge hinter Bergen hervor¬ 
wachsen, erst grün, dann immer blauer, bis wo der Himmel, noch 
blauer, sich auf die letzten stützt! Aber er kümmert sich wenig um 
die Berge, wie die Wolken sich um ihn. Tag für Tag hantiert er 
mit Flickeisen und Klaue, Tag für Tag hämmert er Schiefer zurecht
	        
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