82 Drittes Kap. Geschichte der Reformation. 
Dritter Kapitel. 
Geschichte der Reformation. 
§. l. Einleitung. 
Mit erhebendem Gefühle betreten wir das große Feld der weltverändern¬ 
den Umwälzung, den hehren Schauplaz eines unermeßlich weit, nach Zeit und 
Raum, verbreiteten, unerhört gewaltigen, an Wundern der Charakterstärke, 
der genialen Kraft, der Heldenkühnheit überreichen Kampfes der mannigfal¬ 
tigsten nationalen und persönlichen, allererst moralischen, aber, von ihnen be¬ 
wegt, auch politischen Kräfte, ein mächtiges Reich unüberwindlich waltender 
Ideen. Aber wir betreten eS auch mit Schüchternheit und wohlbcgründeter 
Besorgniß; nicht nur weil so große Dinge würdig darzustellen schwer, und 
nach vielen trefflichen Vorgängern es mit Beifall zu thun noch schwerer ist; 
sondern auch und vorzüglich darum, weil noch immer die theologische Po¬ 
lemik dieses Feld als ihr angehörig behauptet, worauf der Geschichte 
mehr nicht zukomme, als die Rolle der Dicnstmagd eines Kirchenglaubens. 
Wer dieser Geschichte die ihr als Wissenschaft, als Weltgericht allein geziemende 
Sprache der Freimüthigkeit, Wahrheit und strengen Parteilosigkeit gibt, dem 
droht von beiden Seiten Mißverständniß und Anfeindung; denn leicht erscheint, 
wer, der unbefangenen Ansicht folgend, treu und behutsam die Mittelstraße 
wandelt, der eigenen Partei als Abtrünniger*), der Gegenpartei als Eiferer. 
Mag auch uns dieses Loos fallen; wofern nur Diejenigen uns nicht verwer¬ 
fen, deren Standpunkt der rein wissenschaftliche und weltbürger¬ 
liche ist. 
§. 2. Quellen. 
Die Hauptquellen zur Reformationsgeschichte sind die Schrif¬ 
ten der Reformatoren und ihrer Gegner Selbst; sodann die öffentlichen Ver¬ 
handlungen des Staates und der Kirche in dieser großen Sache, Urkunden, 
Reichs- und Concilienschlüffe u. s. w. Bei dem mächtigen Eingreifen der 
Reformation in die Schicksale fast aller europäischen Staaten sind auch die 
allgemeinen und besonderen Geschichtsqnellen derselben solches zu- 
') Die Schmähungen der felder'Massiaux'schen Literaturzeitung indessen erwartet der 
Verfasser mit Ruhe. Es gibt Leute, deren Schätzwerte Ehre bringen, deren Lob nur demüthigt.
	        
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