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blicke so anmutig auf den grünen Sammet des Rasens wirft, verlassen und dem
Fahrzeuge, das dort unten auf den Wellen schwankt, sich anvertrauen. Das
zeigt sein dahin ausgestreckter Arm, darauf deutet ein alter Schiffer, der in
einiger Entfernung steht. Er trägt auch schon die Kleidung eines Matrosen,
die langen weiten Beinkleider, das knapp anschließende Wams, beides von weiß
und blau gestreifter Leinwand, den blauen Gürtel um den Leib und das bunte
nachlässig um den schlanken Hals geknüpfte ostindische Tuch. Und dennoch
scheint es ihm schwer zu werden, das Langbeschlofsene auszuführen. Der ernste,
wehmütig lächelnde Vater hat die Hand, wie segnend auf die Schulter des
blondlockigen Jünglings gelegt; aber man sieht, er will ihm nicht in den Weg
treten, seine Kleidung zeigt, daß auch er einst die See befuhr. Die Mutter
scheint indes den Sohn ihres Herzens zurückhalten zu wollen; sie hält mit
ihren beiden Händen die seinige fest umschlossen und blickt ängstlich nach dem
treulosen Elemente, das sie vielleicht oft schon mit Schrecken erfüllt hat. Der
Jüngling hat sein Gesicht nach ihr zugewandt, seine blauen Augen blicken sie
mit unbeschreiblicher Zärtlichkein an; aber seine ganze Haltung zeigt, daß der
Geist seines Vaters auf ihm ruht, und daß er entschlossen ist, zu gehen. Die
Empfindungen der Mutter teilend, stemmt sich ein kleiner, rotwangiger Bube
im kindisch-zärtlichem Wahne gegen das Kniee des Bruders und scheint ihn fest—
halten zu wollen. Ein älterer Knabe, dem Scheidenden auffallend ähnlich, nur
daß Locken und Gesicht brauner sind, teilt des Vaters und des Bruders Geist.
Er schleppt des letzteren Reisebündel fort und sieht sich, wie treibend, nach
dem Zögernden um. Die Gebärden des alten Schiffers drücken etwas Ähn—
liches aus. Gleichsam als sein Gegenbild steht neben der Thür eine älte
Magd, die, ihre Hände faltend, für den Scheidenden ein frommes Gebet zum
Himmel zu senden scheint.
173. Der Taucher.
Franz Linnig.
Gemälde, die nach Dichtungen entworfen sind, können vermöge der dem
Maler gezogenen Grenzen nicht die Gesamthandlung in ihrer Entfaltung und
ihrem Verlaufe in der Zeit zur Darstellung bringen; es muß genügen, wenn
sie den Inhalt des Gedichtes in seinen Hauptmomenten veranschaulichen und zum
Verständnis bringen. Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei, wie Lessing in seinem
Laokoon gezeigt hat, daß der Maler, weil er eben nur einen einzigen Augenblick
der Handlung nützen kann, gerade den reichhaltigsten wählt, aus welchem das
Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird.
Dieser künstlerisch- wirksamste Moment ist in Schillers Ballade wohl der
Augenblick, in welchem der Jüngling im Begriffe steht, sich zum zweitenmale in
den finsteren Strudel der Charybdis zu stuͤrzen. Die Staffage dieser Scene
bildet unten in der ganzen Breite des Bildes und an der linken Seite bis zum
fernen Horizonte das kochende Meer, welches die schaumbekränzten Wellen an
den Felsen emporschleudert. Das klippenvolle Ufer bildet einen Halbkreis mit
vorspringendem Bogen. In der Mitte dieses Bogens ragt eine kahle Felsplatte
hervor, an welcher ein rötlicher Gischt hoch emporschlägt, — ein sicheres Zeichen,
daß eben die Gewässer dem finstern Schoße des Höllenschlundes entbraust sind.
Hier, in der Mitte der Scene auf überragendem Felsen steht der Knappe, ihm
nahe, rechts, die Prinzessin, links der König; an den beiden Seiten des Bogens
gruppieren sich die Ritter und die Frauen.
Der König hat den Becher eben wieder in die Flut geschleudert, denn die
erhobene Rechte deutet noch nach der Tiefe hinab. In seinem Gesichte liest man