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3. Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben;
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.
4. Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.
5. Die Worte bewahret euch, inhaltschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde,
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
Euer Inneres giebt davon Kunde;
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
So lang' er noch an die drei Worte glaubt.
65. Drei Paare und einer.
Friedrich Rückert.
1. Du hast zwei Ohren und einen Mund;
Willst du's beklagen?
Gar vieles sollst du hören und
Wenig drauf sagen.
2. Du hast zwei Augen und einen Mund;
Mach dir's zu eigen!
Gar manches sollst du sehen und
Manches verschweigen.
3. Du hast zwei Hände und einen Mund;
Lern' es ermessen;
Zweie sind da zur Arbeit und
Einer zum Essen.
66. Meundschaft.
Friedrich Bodenstedt.
Wenn jemand schlecht von deinem Freunde spricht,
Und scheint er noch so ehrlich: glaub' ihm nicht!
Spricht alle Welt von deinem Freunde schlecht:
Mißtrau der Welt und gieb dem Freunde Recht!
Nur wer so standhaft seine Freunde liebt,
Ist wert, daß ihm der Himmel Freunde giebt.
Ein Freundesherz ist ein so seltner Schatz,
Die ganze Welt beut nicht dafür Ersatz;
Ein Kleinod ist's, voll heil'ger Wunderkraft,
Das nur bei festem Glauben Wunder schafft;
Doch jedes Zweisels Hauch trübt seinen Glanz,
Einmal zerbrochen, wird's nie wi⸗d aan.
Leineweber Deuilsches Lesebuch U.