Full text: Deutsches Lesebuch für Lehrer- und Lehrerinnen-Seminare

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dieselbe von den Göttern bald durch eine blendendweiße, elfenbeinerne ersetzt. 
Daher kam es auch, daß alle Nachkommen des Pelops einen weißen Fleck an 
der Schulter hatten. 
Für diesen großen Frevel erhielt Tantalus von Zeus in der Unterwelt eine 
ganz besondere Sirafe. Er wurde bis zum Knie mitten in einen See voll des 
klarsten Wassers gestellt und hatte dabei brennenden Durst. Bückte er sich und 
wollte das Wasser trinken, so wich es allemal zurück, und er sah nur dunklen 
Grund unter sich. Dazu hingen über seinem Haupte verschiedene Baumzweige 
mit herrlichen Früchten, und er litt großen Hunger. Streckte er sich jedoch aus 
und wollte sie mit den Händen ergreisen, so wurden sie allemal von seinem Munde 
weg in die Luft gezogen. Außer diesen Qualen des Durstes und Hungers hing 
noch ein großer Fels über seinem Haupte und drohte stets auf ihn herabzustürzen 
und ihn zu zermalmen. 
40. Orpheus und Eurydice. 
Robert Schneider. 
Orpheus' Vaterland war Thrazien, und seine Mutter die Muse Kalliope. 
Der Macht seines Gesanges vermochte niemand zu widerstehen. Felsen und 
Baͤume folgten ihm, und die wilden Tiere wurden durch denselben bezähmt. 
Auf der Argonauͤtenfahrt lockte er das Schiff Argo vom Lande in das Meer, 
brachte die zusammenschlagenden Felsen zum Stillstand und schläferte den feuer— 
speienden Drachen ein. Kurze Zeit mit der Nymphe Eurydice vermählt, wurde 
ihm dieselbe durch einen Natterstich unerwartet von seiner Seite geraubt. Da 
weinten die Nymphen alle laut über ihren Tod, und Orpheus saß ganze Tage 
und Nächte am einsamen Ufer und besang die Frühgeschiedene in so klagenden 
Melodieen, daß die Voͤgel der Luft und die Tiere des Waldes mit der ganzen 
Natur tief geruͤhrt wurden. Von Sehnsucht zu ihr übermannt, beschloß er end— 
lich, selbst in den Tartarus hinabzusteigen, um bei den Unterirdischen ihre Rück— 
kehr in die Oberwelt zu erflehen. Bei Tänarum fand er den Eingang in die 
Unterwelt und ging beherzt durch die Scharen der ihn umdrängenden Schatten 
hindurch bis zum Throne. Vor demselben beginnt er sein alles bewegendes 
Saitenspiel und flehet mit den Worten: „Nicht aus Neugier komme ich, Beherrscher 
der Toien, eure Wohnsitze zu erforschen, die Liebe zur Gattin treibt mich hierher. 
Bei dieser lautlosen Stille beschwöre ich euch, gebt mir die geliebte Gattin zurück, 
oder laßt auch mich als Genossen ihres Schicksals hier weilen.“ 
Da wurden die Schatten ringsherum von Mitleid bewegt, sie vergossen 
Thrnen, und die Übelthäter gedachlen für einige Zeit ihrer Qualen nicht mehr. 
Tantalus hörte auf, nach dem fliehenden Wasser zu fassen, das Rad des Ixion 
blieb stehen, und Sisyphus saß stille auf seinem Felsblocke und lauschte den 
bezaubernden Tönen. Vamals vergossen die Eumeniden ihre ersten Thränen, und 
die Richter der Toten empfanden Mitleid. Eurydice wird herbeigerufen und dem 
teuren Gatten wiedergeschenkt. Aber er soll auf dem Rückwege vorausschreiten, 
ohne sich nach ihr umzuschauen, bis sie die Oberwelt erreicht haben. Beide gehen 
auf diese scheinbar leicht zu erfüllende Bedingung mit Dank und Freude ein und 
treten sogleich den Rückweg an. Es ist ein langer, steiler Pfad aufwärts, und 
schon sind sie der Pforte nahe, durch welche das Licht von der Ferne leuchtet. 
Plötzlich wird Orpheus von so heftiger Sehnsucht und Bangigkeit ergriffen, ob 
die geliebte Gattin ihm auch wirklich folge, daß er seinen Kopf nach ihr um— 
wendet. Da sieht er sie unwiderstehlich in die Tiefe zurückweichen. Noch einmal 
breitet sie die Hände nach ihm aus und ruft ein letztes Abschiedswort; dann ist 
sie verschwunden. Orpheus eilt zurück bis an das Wasser, aber Charon setzt
	        
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