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1. So laßt mich scheinen, bis ich werde; 3. Und jene himmlischen Gestalten,
Zieht mir das weiße Kleid nicht aus! Sie fragen nicht nach Mann und Weib,
Ich eile von der schönen Erde Und keine Kleider, keine Falten
Hinab in jenes feste Haus. Umgeben den verklärten Leib.
2. Dort ruh' ich eine kleine Stille, 4. Zwar lebt' ich ohne Sorg' und Mühe,
Dann öffnet sich der frische Blick; Doch fühlt' ich tiefen Schmerz genung,
Ich lasse dann die reine Hülle, Vor Kummer altert' ich zu frühe;
Den Gürtel und den Kranz zurück. Macht mich auf ewig wieder jung!
23. An Mignon.
Johann Wolfgang v. Goethe.
1. über Thal und Fluß getragen, Aber ach, die steten Schmerzen,
Ziehet rein der Sonne Wagen. Fest im Herzen,
Ach! sie regt, in ihrem Lauf, Schwimmen nicht im Strome fort.
So wie deine, meine Schmerzen, 4. Schön in Kleidern muß ich kommen,
Tief im u Aus dem Schrank sind sie genommen,
Immer morgens wieder auf. Weill es heute Festtag ist;
2. Kaum will mir die Nacht noch frommen, Niemand ahnet, daß von Schmerzen
Denn die Träume selber kommen Herz im Herzen
Nun in trauriger Gestalt, Grimmig mir zerrissen ist.
Und ich fühle dieser Schmerzen, 5. Heimlich muß ich immer weinen,
Still im Herzen, Aber freundlich kann ich scheinen
Heimlich bildende Gewalt. Und sogar gefund und rot,
3. Schon seit manchen schönen Jahren Wären tödlich diese Schmerzen
Seh' ich unten Schiffe fahren; Meinem Herzen,
Jedes kommt an seinen Ort; Ach! schon lange wär' ich tot.
M. Die Zufriedenheit.
Johann Martin Miller.
1. Was frag' ich viel nach Geld und Gut, 4. Und uns zuliebe schmücken ja
Wenn ich zufrieden bin! Sich Wiese, Berg und Wald,
Giebt Gott mir nur gesundes Blut, Und Vögel singen fern und nah,
So hab ich frohen Sinn, Das alles wiederhallt;
Und sing' aus dankbarem Gemüt Bei 'r Arbeit singt die Lerch' uns zu,
Mein Morgen- und mein Abendlied. Die Nachtigall bei 'r süßen Ruh'.
2. So mancher schwimmt im Überfluß, 5. Und wenn die goldne Sonn' aufgeht,
Hat Haus und Hof und Geld, Und golden wird die Welt,
Und ist doch immer voll Verdruß Und alles in der Blüte steht,
Und freut sich nicht der Welt. Und Ähren trägt das Feld;
Je mehr er hat, je mehr er will; Dann denk' ich: alle diese Pracht
Nie schweigen seine Klagen still. Hat Gott zu meiner Lust gemacht.
3. Da heißt die Welt ein Jammerthal, 6. Dann preis' ich laut und lobe Gott
Und deucht mir doch so schön; Und schweb' in hohem Mut,
Hat Freuden ohne Maß und Zahl, Und denk': es ist ein lieber Gott
Läßt keinen leer ausgehn. Und meint's mit Menschen gut!
Das Käferlein, das Vögelein Drum will ich immer dankbar sein
Darf sich ja auch des Maien freu'n. Und mich der Güte Gottes freu'n.
Leineweber, Deutsches Lesebuch II. 2. Ausfl. 16