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8. Do hesch! Loß andern au dervo! 8. Da hast! Gieb andern auch was her,
Bisch hungerig, chasch wieder cho! — Bist hungrig, komm hübsch wieder her.
3 mueß wohr sy, wie's e Sprüchli git: Ja, wahr ist, was das Sprüchlein
„Sie seihe nit und ernte nit, spricht:
Sie hen kei Pflueg und hen kei Joch, „Sie säen nicht, sie ernten nicht,
Und Gott im Himmel nährt sie doch.“ Sie haben keinen Pflug, kein Joch,
Und Gott im Himmel nährt sie doch.“
21. Sonnlagsfrühe.
Johann Peter Hebel. übertragen von Robert Reinick.
1. Der Samstig het zum Sunntig gseit: 1. Der Samstag ruft dem Sonntag zu:
„Jez hani alli schlofe gleit; „Da bracht' ich alle denn zur Ruh';
Si sin vom Schaffe her und hi So Arbeit durch die ganze Woch',
Gar sölli müed und schlöfrig gsi, Die macht am Ende schläfrig doch;
Und's goht mer schier gar selber so, Mir selber will's nicht besser gehn,
Jcha fast uf kei Bei meh stoh.“ Kaum kann ich auf den Beinen stehn.“
2. So seit er, und wo's zwölfi schlacht, 2. Er spricht's, und wie es zwölfe schlägt,
Se sinkt er aben in d'Mitternacht. Da hat er sich zur Ruh gelegt.
Der Sunntig seit: „Jez isch's an mir!“ Der Sonntag sagt: „Jetzt ist an mir
Gar still und heimli bschließt er d'Thür. Die Reih'!“ schließt heimlich drauf die
Er düselet hinter de Sterne no, Thür
Und cha schier gar nit obsi cho. Und duselt durch den Himmel hin,
Ihm ist noch ganz konfus im Sinn.
3. Doch endli ribt er d'Augen us, 3. Drauf reibt er sich die Augen aus,
Er chunnt der Sunn an Thür und Hus; Da kommt er vor der Sonne Haus.
Sie schloft im stille Chämmerli; Sie schläft im stillen Kämmerlein;
Er pöpperlet am Lädemli; Er klopft am Laden, guckt hinein,
Er rüeft der Sunne: „D'Zit isch do!“ Und ruft ihr zu: „Die Zeit ist da!“
Sie seit: „J chumm enanderno.“ — Sie sagt: „Schon gut, ich weiß es ja!“ —
4. Und lisli uf de Zeeche goht, 4. Und sachtchen auf den Zehen geht
Und heiter uf de Berge stoht Und heiter auf den Bergen steht
Der Sunntig, und's schloft alles no; Der Sonntag; alles schläft zur Stund',
Es sieht und hört en niemes goh. Ihn sieht kein Mensch in weiter Rund'.
Er chunnt ins Dorf mit stillem Tritt, Er kommt ins Dorf, ganz sachtchen
Und winkt im Guhl: „Verroth mi nit!“ spricht
Er da zum Hahn: „Verrat' mich nicht!“
5. Und wemmen endli au verwacht, 5. Und wenn man endlich dann erwacht,
Und gschlofe het di ganzi Nacht, Und lag im Schlaf die ganze Nacht,
Se stoht er do im Sunneschii, So steht er da im Sonnenschein,
Und luegt eim zu de Fenstern i Und schaut durchs Fenster hell herein
Mit sinen Auge mild und guet Mit seinen Augen mild und gut,
Und mittem Meyen uffem Huet. Und mit dem Blumenstrauß am Hut.
6. Drum meint er's treu, und was 6. Er meint es gut, das ist schon
i sag, wahr!
Es freut en, wemme schlofe mag, Und wenn man schläft, es freut ihn gar;
Und meint, es seig no dunkel Nacht, Er glaubt, noch wär' es für uns Nacht,
Wenn d'Sunn am heitre Himmel lacht. Wenn schon die Sonn am Himmel lacht;
Drum isch er au so lisli cho, Drum kam er auch so leis heran,
Drum stoht er au so liebli do. Drum lacht er uns so freundlich an.