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2. Meister und Gesell.
Im Zeitenstrome bleiben oben
Die Werke, die den Meister loben.
Wer's umkehrt, ist Gesell; sein Werkchen trinkt
Des Stroms, und sinkt.
3. Eingeschränkte Einsischt.
„Sprich, daß ich dich sehe!“ —
So scharf, wie dein Gesicht,
Ist meines nicht:
Handle du, daß ich dich sehe!
435. Epigramme von Lessing.
l. Die Sinngedichte an den Leser.
Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? — Nein.
Wir wollen weniger erhoben,
Und fleißiger gelesen sein.
2. In ein Stammbuch.
Wer Freunde sucht, ist sie zu finden wert;
Wer keinen hat, hat keinen noch begehrt.
z. In eines Schauspielers Stammbuch.
Kunst und Natur
Sei auf der Bühne eines nur!
Wenn Kunst sich in Natur verwandelt,
Dann hat Natur mit Kunst gehandelt.
436. Epigramme von Herder.
1. Der Betende.
Knechte dienen um Lohn, ein Käufer handelt um Ware;
Sei im Gebet vor Gott weder ein Käufer noch Knecht.
Lege das Haupt zum Boden und sprich: Erzeige mir, Höchster,
Was dem Erbarmer gebührt, nicht was der Sünder verdient.
2. Wissenschaft ohne Anwendung.
Wer sich um Weisheit müht und nicht anwendet die Weisheit,
Gleicht dem Manne, der pflügt, aber zu säen vergißt.
3. Wissenschaft und Tugend.
Suche die Wissenschaft, als würdest du ewig hier sein;
Tugend, als hielte der Tod dich schon am sträubenden Haar.
437. Epigramme von Goetlhe.
1. Dem Ackermann.
Flach bedecket und leicht den goldenen Samen die Furche,
Guter, die tiefere deckt endlich dein ruhend Gebein.
Fröhlich gepflügt und gesät! Hier keimet lebendige Nahrung,
Und die Hoffnung entfernt selbst von dem Grabe sich nicht.