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457. Musik am Abend.
Terzinen.
Friedrich v. Sallet.
1. Im Abendstrahl saß ich an stillen Wogen,
Mein Sinnen schweift' in unbestimmten Kreisen,
Und Flötenklang kam übern See gezogen.
2. Es tönt' in süßen tiefempfundnen Weisen;
Mein Herz, geweckt zu neuer Liebeswärme,
Stimmt' in die lauten Klänge ein mit leisen.
3. Wofür ich hier in Wonneträumen schwärme,
Wie fühlt' ich's da! die Seligkeiten alle,
Um die ich nun mich, ach! in Sehnsucht härme. —
4. Der Flötenton starb hin in leisem Halle,
Doch innen tönten meines Busens Saiten,
Nachbebend lange noch mit geist'gem Schalle.
5. Doch sieh den letzten Purpurstrahl entgleiten!
Die Sterne steigen auf in heit're Bläue,
Und ahnend forscht das Aug' in Himmelsweiten.
6. Da fühlt' ich auch Musik in mir, doch neue,
Beruhigt war das heiße Liebesbeben,
Vergessen, was mich kränke hier, was freue.
7. Denn Töne fühlt' ich durch die Seele schweben,
So leis' und fern, und doch mit hellem Klingen
Mir kündend klar der Gottheit heil'ges Weben.
8. Herz! kann solch Tönen aus dir selbst entspringen?
Wie? oder hört' ich nur aus hoher Ferne
Die lichten Welten Sphärenlieder singen?
Doch nein! im Einklang tönten Herz und Sterne.
458. Ritornelle.
Friedrich Rückert.
1. Blüte der Mandeln!
Du fliegst dem Lenz voraus, und streust im Winde
Dich auf die Pfade, wo sein Fuß soll wandeln.
2. Bescheidenes Veilchen!
Du sagest: „Wann ich gehe, kommt die Rose.“
Schön, daß sie kommt; doch weile noch ein Weilchen.
3. Glänzende Lilie!
Die Blumen halten Gottesdienst im Garten;
Du bist der Priester unter der Familie.
4. Lilienstengel!
Zu einem Strauße bist du nicht geschaffen;
Dich tragen nur in Händen Gottes Engel.
6. Blüte, die lenzet!
In Mitte deiner Brust die Sonne tanzet,
Die Sonne tanzet und der Mond erglänzet.