Vorwort zur ersten Ausgabe des Buches.
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vorliegendes Lesebuch, das auf dem Boden mehrjähriger Vor¬
arbeiten erwachsen ist, möchte sowohl dem Deutschunterrichte unserer
Seminare und anderer höherer Bildungsanstalten zur Grundlage
dienen, als auch dem Zöglinge ein treuer und anregender Begleiter
durchs Leben werden. Deshalb waren bei der Stoffauswahl zwei
Gesichtspunkte maßgebend: es handelte sich nämlich einerseits um
die Berücksichtigung der Bedürfnisse unserer Lehranstalten, andrerseits
um die Beachtung der Forderungen des späteren Lebens unserer
Schüler. Sind jene durch die Grundzüge der Lehrpläne unserer
Bildungsanstalten im allgemeinen abgegrenzt, so weisen diese vor¬
nehmlich auf das Gebiet der eigenen Lebenserfahrung hin. hinsicht¬
lich des ersten Gesichtspunktes bot sich der neue Lehrplan für den
Deutschunterricht an den Seminaren, der von Herrn Geheim¬
rat Grüllich, dem verdienstvollen Dezernenten des sächsischen
Seminarwesens, ausgearbeitet worden ist, als sehr willkommene
Grundlage dar; bezüglich des zweiten Gesichtspunktes waren die
Lebens- und Schulerfahrungen des Herausgebers entscheidend. Weiter¬
hin darf indessikn nicht unerwähnt bleiben, daß für die Auswahl
und Anordnung des Stoffes die Ausführungen im zweiten Bande
von Pauls Grundriß der germanischen Philologie und in Alees
Grundriß der deutschen Literaturgeschichte mitbestimmend wirkten.
Endlich wurde bei der Stoffauswahl auch besonders darnach gestrebt,
Stoffe und Ideen gleicher oder doch verwandter Art im neuen
Lesebuche darzubieten. Dies mögen einige Beispiele erläutern: es
sindet sich das Vaterunser bei lvulfila, im Heliand, bei Gtfrid, bei
Reinmar von Zweier; die biblischen Erzählungen von der Flucht
nach Ägypten und der Hochzeit zu Aana sind im Heliand und bei
Gtfrid vertreten; neben das alte Hildebrandslied im Urtexte tritt
öas volkstümliche Hildebrandslied der Reformationszeit, und an die
Fabeln bei Boner schließen sich die gleichnamigen Fabeln bei Luther
und Lessing. Durch die Darbietung solch gleichartiger Stoffe im
Sprachkleide verschiedener Zeitalter der deutschen Literatur soll der