Full text: Deutsche Prosa von Luther bis zu Lessing (Band 7, [Schülerband])

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Zündwürmlein, wie man sie in Teutschland nennet, waren, welche aus einer 
sonderbaren Art faulen Holzes entstehen, so auf dieser Insel wächst. Diese 
leuchten so hell, daß man sie gar wohl an Statt einer hellbrennenden Kerzen ge¬ 
brauchen kann, maßen ich nachgehends dies Buch mehrentheils dabei geschrieben; 
und wann sie in Europa, Asia und Afrika so gemein wären als hier, so würden 
die Lichterkrämer schlechte Losung haben. 
Das ;weiund;Wan;igste Kapitel. Fernere Folg obiger Erzählung, und wie Simon 
Meron das Leben samt der Insel quittirt, darin Simplicius allein Herr verbleibt. 
Dieweil wir nun sahen, daß wir verbleiben mußten, wo wir waren, 
fingen wir auch unsere Haushaltung anders an; mein Kamerad machte von 
einem schwarzen Holz, welches sich beinahe dem Eisen vergleicht, wenn es dürr 
wird, für uns beide Hauen und Schaufeln, durch welche wir das Meer in 
Gruben leiteten, da es sich, wie ich zu Alexandria in Egypten gesehen, in Salz 
verwandelt; dann fingen wir an, einen lustigen Garten zu machen, weil wir den 
Müßiggang vor den Anfang unsers Verderbens schätzten; drittens gruben wir 
das Bächlein ab, also daß wir dasselbige nach unserm Belieben anderwärts hin¬ 
wenden, den alten Fluß ganz trocken legen und Fisch und Krebs, so viel wir 
lvollten, gleichsam mit trocknen Händen und Füßen aufheben konnten; viertens 
fanden wir neben dem besagten Flüßlein ein überaus schöne Hafnererde. Und 
ob wir zwar weder Scheiben noch Rad, zumalen auch kein Bohrer oder andere 
Instrumenten hatten, uns dergleichen etwas zuzurichten, um uns allerhand Ge¬ 
schirr zu drehen, ob wir wohl das Handwerk nicht gelernt, so ersonnen wir doch 
eine Weise, durch welchen wir zuwegen brachten, was wir wollten; denn nach¬ 
dem wir die Erde geknetet und zubereitet hatten, wie sie sein sollte, machten wir 
Würste in der Dicke und Länge, wie die englische Tabakspfeifen sind; solche 
kleibten wir schneckenweis aufeinander und forinten Geschirr daraus, wie wir's 
haben wollten, beides groß und klein, Häfen und Schüsseln, zum Kochen und 
Trinken. Wie uns nun der erste Brand gerieth, hatten wir keine Ursach mehr, 
uns über einigen Mangel zu beklagen; denn ob uns wohl das Brod abging, 
hatten wir jedoch hingegen dürre Fisch vollauf, die wir vor Brod brauchten. 
Mit der Zeit gelang uns auch unser Plan mit dem Salz, also daß wir endlich 
gar nichts zu beklagen hatten, sondern wie die Leut in der ersten güldenen Zeit 
lebten. Da lernten wir nach und nach, wie wir aus Eiern, dürren Fischen und 
Citronenschalen, welche beide letztere Stiicke wir zwischen zweien Steinen zu 
zartem Mehl rieben, in Vögelschmalz, so wir von Walchen oder Dronten ge¬ 
nannten Vögeln bekamen, an Statt des Brods wohlgeschmackte Kuchen backen 
sollten. Auch wußte inein Kamerad den Palmwein gar artlich in große Häfen 
zu gewinnen und denselben ein paar Tag stehen zu lassen, bis er vergohren; 
hernach soff er sich so voll darein, daß er torkelte, und solches tat er auf die 
Letzte beinahe alle Tage, Gott weiß, was ich darwider redete; denn er sagte, 
wenn man ihn über die Zeit stehen ließe, so würde er zu Essig, welches zwar 
nicht ohne ist. Antwortete ich ihm dann, er sollte auf einmal nicht so viel, 
sondern die bloße Nothdurft gewinnen, so sagte er hingegen, es sei Sünd, wenn 
man die Gaben Gottes verachte, man müsse den Palmen beizeiten zur Ader 
lassen, damit sie nicht in ihrem eigenen Blut erstickten; also mußte ich seinen 
Begierden den Zaum lassen, wollte ich anders nicht mehr hören, ich gönnete ihm 
nicht, was wir die Fülle umsonst hätten. 
Also lebten wir, wie obgemeldet, wie die ersten Menschen in der güldenen 
Zeit, da der gütige Himmel denselbigen ohne Arbeit alles Guts aus der Erden
	        
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