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wunderlich herausschaute, die Augenbraunen hach geschwungen und die Lippen
fest zusammengebissen, dann kam ihm doch wieder ein Lachen an. In seinen
Briefen an die VUitter aber schrieb er: „Du glaubst nicht, liebste Mama, auf
welche Geduldsprobe mich ein Kerl aus meiner Schwadron stellt. Ich weiß
nicht, welche Geduld hier am Platze ist: Engelsgeduld oder Eselsgeduld, wie 5
der Freiherr von Moser einmal einteilte. Wenn ich nicht manchmal an Dich
dächte und Deine liebe Stimme zu hören glaubte, ich weiß nicht, was ich täte."
Dahingegen beichtete der Westfälinger an seine Mutter: „Es geht alles gut,
nur der Leutnant ist arg ungeduldig. Ich kann ihm nichts recht machen; denn
er ist zornig, aber doch bald wieder gut, und ich lerne viel bei ihm. Ihr 10
könntet ihm einmal einen Schinken schicken, daß er mich nicht so arg plagt."
So strichen die Monate hin, und eine besondere Herzstärkung sollte der
Leutnant empfangen, als es im Winter in den Unterricht ging. Da machte
er die Erfahrung des westfälischen Schulmeisters, der da meinte, in dem Hirnkasten
seiner jungen Rekruten müsse etwas zerbrochen sein, wie an einer Uhr ein Räd- 15
lein. Er hatte es so ziemlich aufgegeben, seine Schüler auf eine höhere Stufe
der Wissenschaft zu bringen, als plötzlich sich die Wolken zusammenzogen —
diesmal nicht auf der Stirn des Leutnants, sondern am Völkerhimmel —
und wie ein Wetter aus heiterer Luft die Kriegserklärung im Jahre 1870 kam.
Der Leutnant war zum Besuch bei seinen Eltern, als die Kunde eintraf. 20
Hochklopfenden Herzens hörte der junge Mann die Botschaft. Am Abend vor
dem Abschied nahm der Vater seinen Sohn beiseite, zeigte ihm die Bilder der
Ahnen, sein eisernes Kreuz aus dem Jahre 1813 und noch ein Stück des
Lorbeerkranzes, den er einst bei der Heimkehr empfangen. „Nimm meinen
Säbel mit, mein Sohn," sagte er und gab ihm das Gehänge, „und denke an 25
deinen Vater, an König und Vaterland!" Was die Mutter ihm sagte, das
lag alles im Blick und in der segnenden Hand auf seinem Haupte. „Hab
Geduld mit dir und mit den Rekruten," sagte sie ihm noch ins Ohr. Er
eilte zum Regiment.
Auch zu unserm Westfälinger kamen die Seinen, um Abschied zu nehmen. 30
Sie hatten noch viel mitgeschleppt, so daß er reichlich unter die Kameraden
verteilen konnte. Als aber der Trompeter das Signal zum Sammeln blies,
da mußte geschieden sein. Eltern und Sohn küßten sich und weinten zusammen,
und beim Scheiden sagte die Mutter leise: „Hermann bete nur, daß du's recht
machst vor Gott und Menschen und auch vor dem Leutnant!" 35
2.
Die Heimat lag schon weit zurück; über den Rhein war's gegangen, die
ersten Siege waren erfochten, als die heißen Tage des 14., 16. und 18. August
auch unsere tapferen Reiter ins Feuer brachten.
Es war in der Schlacht bei Vionville. Es galt die breite Lücke, die 40
zwischen den Divisionen Buddenbrock und Stülpnagel eingerissen war, zu füllen
und dem Stoß des Feindes zu begegnen. Und sie sausten heran, die Reiter,