25. Da bricht die Menge tobend aus,
Gewalt'ger Sturm bewegt das Haus,
Um Gnade flehen alle Brüder;
Doch schweigend blickt der Jüngling nieder,
Still legt er von sich das Gewand
Und küßt des Meisters strenge Hand
Und geht. Der folgt ihm mit dem Blicke,
Dann ruft er liebend ihn zurücke
Und spricht: „Umarme mich, mein Sohn!
Dir ist der härtre Kampf gelungen.
Nimm dieses Kreuz! Es ist der Lohn
Der Demut, die sich selbst bezwungen."
107. Der Alpenjäger.
Friedrich v. Schiller.
1. „ Willst du nicht das Lämmlein hüten ?
Lämmlein ist so fromm und sanft,
Nährt sich von des Grases Blüten,
Spielend an des Baches Ranft. “
„Mutter, Mutter, laß mich gehen,
Jagen nach des Berges Höhen/“
2. „ Willst du nicht die Herde locken
Mit des Harnes munterm Klang?
Lieblich tänt der Schall der Glocken
In des Waldes Lustgesang. “
„Mutter, Matter, laß mich gehen,
Schiveifen auf den wilden Höhen!
5. Auf der Felsen nackte Rippen
Klettert sie mit leichtem Schwung,
Durch den Riß gespaltner Klippen
'Prägt sie der gewagte Sprung;
Aber hinter ihr verwogen
Folgt er mit dem Todesbogen.
6. Jetzo auf den schroffen Zinken
Hängt sie-, auf dem höchsten Gral,
Wo die Felsen jäh versinken
Und verschwunden ist der Pfad.
Unter sich die steile Höhe,
Hinter sich des Feindes Nähe.
3. Willst du nicht derBlümlein warten,
Die im Beete freundlich stehn?
Draußen ladet dich kein Garten,
Wild ist’s auf den wilden Höhn!u
,Laß die Blümlein, laß sie blühen!
Mutter, Mutter, laß mich ziehen!u
4. Und der Knabe ging zu jagen,
Und es treibt und reißt ihn fort,
Rastlos fort mit blindem Wagen
An des Berges finstern Ort;
Vor ihm her mit Windesschnelle
Flieht die zitternde Gazelle_
7. Mit des Jammers stummen Blicken
Fleht sie zu dem harten Mann,
Fleht umsonst, denn loszudrücken,
Legt er schon den Bogen an.
Plötzlich aus der Felsenspalte
Tritt der Geist, der Bergesalle.
8. Und mit seinen Götterhänden
Schützt er das gequälte Tier.
„Mußt du Tod und Jammer senden
Ruft er, „bis herauf zu mir?
Raum für alle hat die Erde;
Was verfolgst du meine Herde?“
108. Hi-land Schildträger.
Ludwig Uhland.
1. Der König Karl saß einst zu Tisch
Zu Aachen mit den Fürsten.
Man stellte Wildbret auf und Fisch
Und ließ auch keinen dürsten;
Biel Goldgeschirr von klarem Schein,
Manch roten, grünen Edelstein
Sah man im Saale leuchten.
2. Da sprach Herr Karl, der starke Held:
„Was soll der eitle Schimmer?
Das beste Kleinod dieser Welt,
Das fehlet uns noch immer;
Dies Kleinod, hell wie Sonnenschein,
Ein Riese trägt's im Schilde sein
Tief im Ardennerwalde."
3. Graf Richard, Erzbischof Turpin,
Herr Haimon, Naims von Bayern,
Milon von Anglant, Graf Garin,
Die wollten da nicht feiern;
Sie haben Stahlgewand begehrt
Und hießen satteln ihre Pferd',
Zu reiten nach dem Riesen.