Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für katholische Präparandenanstalten

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Glück der Seinigen und das Heil des Vaterlandes zu allem Guten ge¬ 
wendet und zu fester Männlichkeit und würdiger Tapferkeit besänftigt 
und gemildert worden. Ewig daure das Gedächtnis des deutschen 
Biedermanns! 
5 283. Alücher und Scharnhorst. 
Ernst Moritz Arndt. 
In Berlin war im Februar 1812 ein unendliches Getümmel und Ge¬ 
wimmel von den verschiedensten Menschen und verschiedensten Ansichten, Ge¬ 
danken, Hoffnungen und Verzweiflungen, wie und wann das Gewitter, das 
10 wieder schwarz am Horizonte hing, losplatzen werde, und wohin sich jeder 
stellen sollte, wohin der König von Preußen sich stellen werde. In diesen 
Wirbel geriet ich frisch hinein. Dies war ein Leben und Weben, ein Wogen 
und Treiben der Kräfte! Da habe ich viele treffliche Männer zuerst gesehen 
und kennen gelernt und war mit einem Male mitten in einem großen, ge- 
15 wältigen Männerbunde, der einen einzigen Gegenstand seines Bedürfnisses hatte: 
Abschüttelung und Vernichtung der Welschen. 
Hier aber klang es nun bald wieder: „Marsch!" Der König von Preußen 
hatte sich der Weltlage nach mit dem Erzfeinde verbünden müssen. Als dies 
Bündnis bekannt ward, nahmen und erhielten viele preußische Offiziere, denen 
20 das Herz zu schwer war, vom König einen gnädigen Abschied. Der König 
verstand sie und mißbilligte sie nicht. Viele gingen nach Schlesien, dort zu 
warten, wie die Dinge sich entwickeln würden; andere suchten, ehe ihnen alles 
abgesperrt würde, die verschiedenen Straßen, welche zur See oder zu Lande 
nach Rußland führten, dort Arbeit für ihren Degen hoffend; mich nahm der 
25 Oberst Graf Chazot mit in seinem Wagen bis Breslau, wo er noch einige 
Wochen verweilte und nach Rußland floh. 
Meine Breslauer Frühlingsmonate waren zuerst eben so lebendig und fast 
auf ähnliche Weise lebendig, wie mein Februar in Berlin gewesen war. Zu¬ 
erst Bekannte schon von Berlin her: die Obersten Graf Chazot und von 
30 Gneisenau, der Polizeipräsident Grüner, der, als ein Franzosenfeind gezeichnet, 
natürlich in Berlin jetzt nicht hatte in seiner Stellung bleiben dürfen, uno 
außer ihnen mehrere andere. Das bewegte sich einige Wochen in einem Kreise 
zusammen, bis es nach verschiedenen Seiten hin auseinanderfloß. Hier hinein 
kam auch zuweilen der alte General Blücher, der auch bei fröhlichen Gelagen 
35 etwas vom Feldmarschall hatte. Trotz seines Alters trug er eine herrliche 
Gestalt, groß und schnell, mit den schönsten, rundesten Gliedern vom Kopf bis 
zum Fuße, seine Arme, Beine und Schenkel, noch fast wie eines Jünglings, 
scharf und fest gezeichnet. Am meisten erstaunte man über sein Gesicht. Es 
hatte zwei verschiedene Welten, die selbst bei Scherz und Spaß, dem er sich 
40 ganz frisch und soldatisch mit jedem ergab, ihre Farben nicht wechselten: auf 
Stirne, Nase und in den Augen konnten Götter wohnen; um Kinn und Mund 
trieben die gewöhnlichen Sterblichen ihr Wesen. Daß ich es sage: in jener obern
	        
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