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Hinterende in der Röhre hält, den Boden ringsum nach Futter ab. Er schleppt
emsig zu sich heran, was er finden kann: abgefallene Blätter, Stengel, Halme
und kleine Zweige. Am nächsten Morgen bedeckt ein kleines Häufchen von
Pflanzenteilen die Mündung der Röhre, und bei näherer Untersuchung ergibt
5 sich, daß die Blätter einzeln von dem Wurm zusammengerollt und derart in
die Röhre gezogen worden sind, daß die Stiele derselben nach außen hervor¬
ragen. Er macht es daher mit den Blättern ähnlich so, wie der Chinese mit
dem Tee und der Kanasterfabrikant mit dem Tabak und hat für diese Ope¬
ration, die er ohne Hände ausführt, seine guten Gründe. Der in der Röhre
10 liegende Teil der Blätter bleibt nämlich feucht und erweicht, und nur in diesem
erweichten Zustande werden die Pflanzen von dem Wurm genossen, da seine
Zähne sehr schlecht veranlagt sind. Deutliche Spuren verraten, daß der
Regenwurm daran nagt, und nach einigen Tagen ist der Vorrat aufgezehrt.
Das Einsammeln der Nahrung bei feuchtem Wetter geschieht eben deshalb, da-
15 mit sie leichter vermodern kann.
Werden die Wohnungsräume des Wurmes näher untersucht, so findet man
an der Wand der Röhre zahlreiche schwarze Höcker. Es sind dies die Aus¬
sonderungen des Wurmes, welche ältere Röhren wie dunkler Mauerputz dicht
auskleiden. Die mikroskopische Vergleichung der vom Regenwurm abgesetzten
20 Erdmassen hat ergeben, daß dieselben der sogenannten zweijährigen Blättererde
gleichkommen, wie sie von den Gärtnern zur Füllung von Blumentöpfen be¬
reitet wird, und die chemische Untersuchung zeigte, daß die Regenwurmerde viel
Ähnlichkeit mit. gutem Humusboden hat, woraus ersichtlich wird, daß sie sehr
fruchtbar sein muß.
2b Das ist sie nun in der Tat, und die Pflanzen machen sich diesen Umstand
insofern zu nutze, als sie ihre Wurzelfasern in die Regenwurmröhren hinab¬
senken. Herr Hensen ist der Meinung, daß die feinen und biegsamen Saug¬
wurzeln der Pflanzen den Weg in die Tiefe schwerlich anders finden können
als durch solche vorgebohrt^ Schachte, und die Wurzeln einjähriger Gewächse
30 nur dort tief in den Untergrund zu dringen vermögen, wo sich Regenwürmer
finden. Da nun ferner die Wurzeln von Blattgewächsen und Getreide sich in
den Regenwurmröhren schön ausbilden und in keiner Weise zerstört werden, ist
die Beschuldigung des Wurzelfressens vom Regenwurm zurückzunehmen und
ihm die Anerkennung auszusprechen, daß er ein richtiger Kultivator des Bodens
35 ist, der das Wachstum der Pflanzen namentlich in unfruchtbarem Sandboden
nach besten Kräften fördert.
Um die Tätigkeit des Regenwurms genau zu kontrollieren, machte Herr
Hensen folgenden Versuch.
In einem Glashafen von etwa einem halben Meter Durchmesser, der einen
40 halben Meter hoch mit weißem Sand angefüllt wurde, erhielten zwei ausge¬
wachsene Regenwürmer Logis, während die Oberfläche mit abgefallenen Blättern
bedeckt wurde. Die Würmer waren rasch an der Arbeit, und nach l1^ Monat
waren viele Blätter in die Röhren hineingezogen. Die Oberfläche war mit