Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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sitzen? ich glaube zwei; es sind ihrer aber jetzt fünfe, die man alle 
haben mutz. Wenn ich weitz, was fehlt, will ich die andern zu kaufen 
suchen, sie sind jetzt schon rar geworden. 
Gemälde und Statuen zu sehen hilft mir des Hofrat ReifensteinA) 
5 lange Praktik und Tischbeins* 2) Künstlerauge, und ich sehe denn nur 
so hin. 
Überhaupt bleibt nun meinen Wünschen nichts übrig, als datz 
Sie mir Ihre Liebe erhalten, damit ich zurückkehrend eines neuen 
Lebens, das ich in der Fremde erst schätzen lerne, mit Ihnen genietzen 
10 möge. Leben Sie recht wohl. Aus Mangel der Zeit und damit der 
Posttag nicht vorbeigehe, hab' ich beiliegendes Zirkularschreiben ver- 
fatzt und bitte, es denen am Ende benannten Personen mitzuteilen. 
G. 
77. Goethe an den Herzog Carl August von Sachsen-Weimar. 
Briefwechsel des Eroßherzogs Karl August mit Goethe. Weimar 1863. Bd. I, 
S. 113 ff. (Nr. 45). 
Rom, den 17. März 1788. 
Ihren freundlichen, herzlichen Brief beantworte ich sogleich mit 
einem fröhlichen: Ich komme! So werden meine Hoffnungen, Wünsche, 
und so wird mein erster Vorsatz erfüllt. Ich fühle ganz den Umfang 
5 Ihrer Güte; mein erster und nächster Dank soll eine unbedingte Auf¬ 
richtigkeit sein. Die Zartheit, womit Sie mich behandeln, heitzt mich 
alle sogenannte Delikatesse 3) zu vermeiden, welche, genau betrachtet, 
wohl öfter Prätensionen4) scheinen möchten. 
Ihrer Frau Mutter hätte ich, wenn Sie es nötig und schicklich 
io gehalten hätten, gerne meine Dienste in Italien gewidmet, ob ich 
gleich wohl einsehe, datz ich dabei mehr würde eingebützt haben, als 
sie durch meine Gegenwart gewinnen konnte. Doch glaube ich, durch 
manche Vorbereitung auch für dieselbe nicht ganz unnütze in Italien 
gewesen zu sein. 
*) Reifenstein war der Geschäftsführer des gothaischen wie des 
russischen Hofes in Rom. 
2) Wilhelm Tischbein (1751—1829), berühmter Maler, seit 
1782 in Rom. Goethe wohnte mit ihm zusammen. Tischbein malte 
Goethe während seines Aufenthalts in Italien („Goethe in der römi¬ 
schen Campagna"). vgl. das Titelbild zu: W. Bode, Goethes Ästhetik. 
Berlin 1903*. (s. o. S. XVI.) 
ft ängstliche Rücksicht. 
ft Anmaßungen.
	        
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