Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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auf eine Täuschung anderer berechnet waren, es werden ihm die Fort¬ 
schritte seiner Macht und die Fortschritte der Religion identifiziert, und 
in jenen sieht er diese. Hierin bestärken ihn die Niederländer, die zu¬ 
gleich von ihm und dem Papste abfallen. Freilich beseelt ihn im 
Grunde kein anderer Eifer als der Eifer Ataris des Kühnen und » 
Maximilians I., das burgundische, das habsburgische Haus zu er¬ 
höhen, der sich schon in Karl V. mit religiösen Intentionen gepaart 
hatte; in ihm ist diese Vereinigung nur noch viel stärker, und wenn 
er England zu erobern, wenn er die Krone von Frankreich an seinen 
Neffen und an seine Tochter zu bringen sucht, so überredet er sich, er w 
kue das zum Besten der Welt, ja zum Heile der Seelen. Wenn ihn 
nun auf der einen Seite sein zurückgezogener Ernst nicht fähig machte, 
seinen Nationen in Güte, Leutseligkeit und als ein Vater vorzustehen, 
so war diese beschränkte und fanatische Sinnesart weit entfernt, ihn 
ZU einem Versöhner der zerfallenen Welt zu machen; er ward viel-15 
wehr ein großer Beförderer und Vermehrer ihrer Entzweiung. 
Hierbei ist in Bezug auf seine Verwaltung noch zweierlei anzu- 
merken. Das eine in Hinsicht auf seine Minister, das andere in Hinsicht 
auf die Mittel, deren er sich bediente, um zu seinen Zwecken zu gelangen. 
Sei es, daß die Menge der Geschäfte ihn nötigte, oder auch, daß so 
ihn ein persönliches Zutrauen dazu bewog, er ließ seinen Ministern 
eine große Freiheit, einen offenen Spielraum. Spinosa hieß lange 
der „Monarch von Spanien", Alba hatte in den Niederlanden freie 
Hand. Wir werden den Wechsel seiner Ministerien und ihrer Stellung 
genauer ins Auge fassen. Von mehreren seiner vertrauteren Räte 35 
schien er abhängig und beherrscht zu sein. Auch war es nur vergebens, 
wenn man sich beklagte: seine erste Antwort war, er beziehe sich auf seine 
Aäte, und so oft man auch wiederkam, so oft man sich über eben diese 
Räte beschwerte, so erfolgte doch immer dieselbe Antwort. Man klagte, 
daß durch die Leidenschaften dieser Minister nicht allein die Interessen 30 
der fremden Mächte, sondern die eigenen des Königs verraten würden 
und zugrunde gingen. Da ist es sehr merkwürdig, wie er sich über 
ihnen erhielt. Ihre besten Erinnerungen schien er nur mit halbem 
^hre anzuhören, und eine Zeitlang war es, als hätten sie nichts gesagt, 
nm Ende aber, gleich als komme es von ihm, setzte er sie plötzlich ins 35 
— Er sagte, er gehe darum nicht in den Staatsrat, damit sich 
die Leidenschaften der Mitglieder desselben um so ungehinderter zeigen
	        
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