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herrschend werdenden Arbeit der Phantasie. Endlich begann der
Wallenstein. So trat Schiller wie in ein leichteres, ihm eigen¬
tümliches Element, in die glänzende dichterische Periode seiner letzten
Jahre, die dann durch nichts weiter unterbrochen wurde. Sein, wie
er uns auch schmerzlich bewegt, großer und schöner Tod führte ihn 5
mitten in einer schon herrlich zurückgelegten und mit immer weiter
strebender Kraft verfolgten Laufbahn hinweg.
In jene Periode der Rückkehr Schillers zur dramatischen Dich¬
tung fällt auch der Anfang seines vertrauteren Umgangs mit Goethe,
und gewiß als die am stärksten und bedeutendsten mitwirkende Ursache. 10
Der gegenseitige Einfluß dieser beiden großen Männer aufeinander
war der mächtigste und würdigste. Jeder fühlte sich dadurch ange¬
regt, gestärkt und ermutigt auf seiner eigenen Bahn; jeder sah klarer
und richtiger ein, «rote auf verschiedenen Wegen dasselbe Ziel sie ver¬
einte. Keiner zog den anderen in seinen Pfad herüber oder brachte 15
ihn nur ins Schwanken im Verfolgen des eignen. Wie durch ihre
unsterblichen Werke haben sie durch ihre Freundschaft, in der sich
das geistige Zusammenstreben unlösbar mit den Gesinnungen des
Charakters und den Gefühlen des Herzens verwebte, ein bis dahin
nie gesehenes Vorbild aufgestellt und auch dadurch den deutschen 20
Namen verherrlicht.
Wenn Schiller zuweilen seinem Dichterberufe zu mißtrauen scheint,
so werden solche augenblickliche Aufwallungen sowie der sonderbare
Mißgriff, sich mehr für epische als dramatische Dichtung geboren zu
halten, niemand irremachen, der mit dem menschlichen Kopf und 25
Herzen vertraut ist. Nie hat einer, wenn man Momente einzelner
Verstimmung ausnimmt, so klar und entschieden gewußt, was er durch
seine Natur wollen und suchen mußte, nie einer sein Streben und sein
Gelingen so richtig und unbefangen gewürdigt als Schiller; nie war
einem mehr als ihm unsichres Umhertappen nach seiner naturgemäßen 30
Bestimmung fremd und verhaßt. Seine Bestimmung war aber offen¬
bar die dramatische Dichtung. Die Schürfe der Einbildungskraft, die
alles auf einen Punkt hinführt, die Fähigkeit, auf einen gewaltigen
Effekt hinzuarbeiten, die höchste Spannung in der Wirklichkeit hervor¬
zubringen und die erhabenste Lösung in der Idee daran zu knüpfen, 35,
was alles durch Schillers Individualität unmittelbar gegeben war,
sagt vorzugsweise dieser Dichtungsart zu, deren Charakter sich nach
Goethes treffender Bemerkung daraus ableiten läßt, daß sie ihren
Gegenstand in die Gegenwart versetzt. Denn auch sie sammelt ihre
ganze Wirkung auf einen Endpunkt, verfolgt mehr eine Linie, als sie 40