Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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herrschend werdenden Arbeit der Phantasie. Endlich begann der 
Wallenstein. So trat Schiller wie in ein leichteres, ihm eigen¬ 
tümliches Element, in die glänzende dichterische Periode seiner letzten 
Jahre, die dann durch nichts weiter unterbrochen wurde. Sein, wie 
er uns auch schmerzlich bewegt, großer und schöner Tod führte ihn 5 
mitten in einer schon herrlich zurückgelegten und mit immer weiter 
strebender Kraft verfolgten Laufbahn hinweg. 
In jene Periode der Rückkehr Schillers zur dramatischen Dich¬ 
tung fällt auch der Anfang seines vertrauteren Umgangs mit Goethe, 
und gewiß als die am stärksten und bedeutendsten mitwirkende Ursache. 10 
Der gegenseitige Einfluß dieser beiden großen Männer aufeinander 
war der mächtigste und würdigste. Jeder fühlte sich dadurch ange¬ 
regt, gestärkt und ermutigt auf seiner eigenen Bahn; jeder sah klarer 
und richtiger ein, «rote auf verschiedenen Wegen dasselbe Ziel sie ver¬ 
einte. Keiner zog den anderen in seinen Pfad herüber oder brachte 15 
ihn nur ins Schwanken im Verfolgen des eignen. Wie durch ihre 
unsterblichen Werke haben sie durch ihre Freundschaft, in der sich 
das geistige Zusammenstreben unlösbar mit den Gesinnungen des 
Charakters und den Gefühlen des Herzens verwebte, ein bis dahin 
nie gesehenes Vorbild aufgestellt und auch dadurch den deutschen 20 
Namen verherrlicht. 
Wenn Schiller zuweilen seinem Dichterberufe zu mißtrauen scheint, 
so werden solche augenblickliche Aufwallungen sowie der sonderbare 
Mißgriff, sich mehr für epische als dramatische Dichtung geboren zu 
halten, niemand irremachen, der mit dem menschlichen Kopf und 25 
Herzen vertraut ist. Nie hat einer, wenn man Momente einzelner 
Verstimmung ausnimmt, so klar und entschieden gewußt, was er durch 
seine Natur wollen und suchen mußte, nie einer sein Streben und sein 
Gelingen so richtig und unbefangen gewürdigt als Schiller; nie war 
einem mehr als ihm unsichres Umhertappen nach seiner naturgemäßen 30 
Bestimmung fremd und verhaßt. Seine Bestimmung war aber offen¬ 
bar die dramatische Dichtung. Die Schürfe der Einbildungskraft, die 
alles auf einen Punkt hinführt, die Fähigkeit, auf einen gewaltigen 
Effekt hinzuarbeiten, die höchste Spannung in der Wirklichkeit hervor¬ 
zubringen und die erhabenste Lösung in der Idee daran zu knüpfen, 35, 
was alles durch Schillers Individualität unmittelbar gegeben war, 
sagt vorzugsweise dieser Dichtungsart zu, deren Charakter sich nach 
Goethes treffender Bemerkung daraus ableiten läßt, daß sie ihren 
Gegenstand in die Gegenwart versetzt. Denn auch sie sammelt ihre 
ganze Wirkung auf einen Endpunkt, verfolgt mehr eine Linie, als sie 40
	        
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