Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

404 
' 
festen Entschuß und Beschluß zu fassen; keineswegs etwa zu einem 
Befehle, einem Auftrage, einer Anmutung an andre, sondern zu einer 
Anmutung an euch selber. Eine Entschließung sollt ihr fassen, die jed¬ 
weder nur durch sich selbst und in seiner eignen Person ausführen kann. 
s Es reicht hierbei nicht hin jenes müßige Vorsatznehmen, jenes Wollen, 
irgend einmal zu wollen, jenes träge Sichbescheiden, daß man sich 
darein ergeben wolle, wenn man etwa einmal von selber besser würde; 
sondern es wird von euch gefordert ein solcher Entschluß, der zugleich 
unmittelbar Leben sei und inwendige Tat und der da ohne Wanken 
10 oder Erkältung fortdauere und fortwalte, bis er am Ziele sei. 
Oder ist vielleicht in euch die Wurzel, aus der ein solcher in das 
Leben eingreifender Entschluß allein hervorwachsen kann, völlig aus¬ 
gerottet und verschwunden? Ist wirklich und in der Tat euer ganzes 
Wesen verdünnt und zerflossen zu einem hohlen Schatten ohne Saft 
iS und Blut und eigene Bewegkraft und zu einem Traume, in welchem 
zwar bunte Gesichter sich erzeugen und geschäftig einander durchkreuzen, 
der Leib aber todähnlich und erstarrt daliegen bleibt? Es ist dem Zeit¬ 
alter seit langem unter die Augen gesagt und in jeder Einkleidung 
ihm wiederholt worden, daß man ungefähr also von ihm denke. Seine 
M Wortführer haben geglaubt, daß man dadurch nur schmähen wolle, und 
haben sich für aufgefordert gehalten, auch von ihrer Seite wiederum 
zurück zu schmähen, wodurch die Sache wieder in ihre natürliche Ord¬ 
nung komme. Im übrigen hat nicht die mindeste Änderung oder Besse¬ 
rung sich spüren lassen. Habt ihr es vernommen; ist es fähig gewesen, 
25 euch zu entrüsten; nun, so strafet doch diejenigen, die so von euch denken 
und reden, geradezu durch eure Tat der Lüge: zeiget euch anders vor 
aller Welt Augen, und jene find vor aller Welt Augen der Unwahr¬ 
heit überwiesen. Vielleicht, daß sie gerade in der Absicht, von euch also 
widerlegt zu werden, und weil sie an jedem andern Mittel, euch auf- 
8v zuregen, verzweifelten, also hart von euch geredet haben. Wie viel 
besser hätten sie es sodann mit euch gemeint als diejenigen, die euch 
schmeicheln, damit ihr erhalten werdet in der trägen Ruhe und in 
der nichts achtenden Gedankenlosigkeit! 
So schwach und so kraftlos ihr auch immer sein möget, man hat in 
3ü dieser Zeit euch die klare und ruhige Besinnung so leicht gemacht, als 
sie vorher niemals war. Das, was eigentlich in die Verworrenheit 
über unsere Lage, in unsere Gedankenlosigkeit, in unser blindes Gehen¬ 
lassen uns stürzte, war die süße Selbstzufriedenheit mit uns und unserer 
Weise dazusein. Es war bisher gegangen und ging eben so fort; wer 
io uns zum Nachdenken aufforderte, dem zeigten wir statt einer andern
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.