Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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Zeit begießen; zwischendurch funkelt die glühende Sonne, um 
sie wieder zu erwärmen; die Luft ist von Wohlgerüchen erfüllt 
und das ist hier nicht bildlich, wie gewöhnlich in Reisebeschrei¬ 
bungen, sondern ganz buchstäblich zu nehmen. Kasanlik ist das 
Kaschmir Europas, das türkische Güllistan, das Land der Rosen; 
diese Blume wird hier nicht wie bei uns in Töpfen und Gärten, 
sondern auf den Feldern und in Furchen wie die Kartoffel gebaut. 
Nun läßt sich wirklich nichts Anmutigeres denken als solch ein Ro¬ 
senacker; wenn ein Dekorationsmaler dergleichen malen wollte, so 
würde man ihn der Übertreibung anklagen; Millionen, ja viele 
Millionen von Zentifolien sind über den lichtgrünen Teppich der 
Rosenfelder ausgestreut und doch ist vielleicht erst der vierte Teil 
der Knospen aufgebrochen. Nach dem Koran entstanden die Rosen 
erst während der nächtlichen Himmelfahrt des Propheten und zwar 
die weißen aus seinen Schweißtropfen, die gelben aus denen seines 
Tieres, die roten aus denen des Gabriel und man kommt in 
Kasanlik auf die Vermutung, daß wenigstens für den Erzengel 
jene Fahrt sehr angreifend gewesen sein muß. 
Die Rose (Güll) würde mich jetzt auf die Nachtigall (Büllbüll) 
leiten, wenn ich nicht fürchtete, mich gar zu sehr ins Poetische zu 
verlieren. Ich will daher nur noch bemerken, daß man hier die 
Rosen nicht nur sieht und riecht sondern auch ißt; eingemachte 
Rosenblätter sind in der Türkei eine sehr beliebte Konfitüre und 
werden mit einem Glase frischen Wassers morgens vor dem Kaffee 
genossen, was ich zur Nachahmung empfehlen kann. 
Hier, in Kasanlik wird denn auch das Rosenöl gewonnen, auf 
das man so hohen Wert legt. Es ist selbst in Konstantinopel 
äußerst schwer, sich dies Öl unversetzt zu verschaffen, was man schon 
aus dem Umstand abnehmen kann, daß dort die Drachme 8, hier 
an Ort und Stelle aber 15 Piaster kommt. Ich hatte mir einen 
Vorrat Rosenöl mitgenommen, und da ich genötigt war, einen 
Tag mit der Flasche in der Tasche zu reisen, so duftete ich auch 
8 Tage wie ein Rosenstock. 
47. Am Strande von Ostende. 
Heinrich Hansjakob. (Gekürzt.) 
Vor unseren Fenstern hatten wir den Hafen und die Nkaste 
der Handelsschiffe und Fischerboote paradierten vor unserm Gemach, 
als wohnte hier ein Admiral, vor dem sie sich zur Flottenschau 
aufstellten. Und am Uai hin bildete die lange Reihe der Häuser 
die Landarmee zu diesem Schauspiel. Wir sind zwar eine gute 
Viertelstunde vom Uleer entfernt, aber ein frischer, nervenbelebender 
Wind verkündet uns feine Nähe. Ihm eilen wir zu.
	        
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