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V. Jenseits der Grenzen des Vaterlandes.
135. Der frohe Wandersmann.
Wem Gott will rechte Gunsterweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und
Feld.
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.
Die Bächlein von den Bergen
springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust!
Was sollt ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl und frischer Brust?
Den lieben Gott laß ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach' aufs best' bestellt.
J. v. Eichendorff.
156. Wanderlust.
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus!
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.
Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'!
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht!
Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert,
Es Fibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert.
Frisch auf drum, frisch auf im hellen Sonnenstrahl,
Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal!
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all',
Mein Herz ist wie 'ne Lerche und stimmet ein mit Schall.
Und abends im Städtlein, da kehr ich durstig ein!
„Herr Wirt, Herr Wirt, eine Kanne blanken Wein!
Ergreife die Fiedel, du lust'ger Spielmann du!
Von meinem Schatz das Liedel, das sing ich dazu.“
Und find' ich keine Herberg', so lieg' ich zu Nacht
Wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht,
Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach;
Es küsset in der Frühe das Morgenrot mich wach.
O Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust!
Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust;
Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt:
‚„Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt!“
E. Geibel.