Full text: Deutsches Lesebuch für Lehrer- und Lehrerinnen-Seminarien

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günstigsten ist die ganz wunderbare, heimliche und zugleich unheimliche Beleuchtung 
der Grotte bei Sonnenschein. Gegenstände und namentlich der menschliche Körper 
erscheinen im Wasser wie mit Silberglanz übergössen. 
Noch viel Schönes und Wunderbares wäre aus Capri aufzusuchen; aber die 
hinter Jschia sinkende Sonne mahnt zur Umkehr. Schon glüht das weite Meer im 
Westen purpurrot, und der Fels von Ponza, der sich aus der Flut emporhebt, schön 
und fern, als läge er in einer andern Sphäre des Raums und Lichts, ist ganz 
durchglüht und schimmert in durchsichtigem Purpurbrande. 
103. Der Besuch auf dem Vesuv. 
Von W. v. Goethe (1749—1832). 
Obgleich ungern, doch aus treuer Geselligkeit begleitete Tischbein mich heute 
auf den Vesuv. Ihm, dem bildenden Künstler, der sich nur immer mit den schönsten 
Menschen- und Tierformen beschäftigt, ja das Ungeformte selbst, Felsen und Land¬ 
schaften, durch Sinn und Geschmack vermenschlicht, ihm wird eine solche furchtbare, 
ungestaltete Aufhäufung, die sich immer wieder selbst verzehrt und allem Schönheits¬ 
gefühl den Krieg ankündigt, ganz abscheulich vorkommen. 
Wir fuhren auf zwei Kaleschen, weil wir uns als Selbstführer durch das Ge¬ 
wühl der Stadt nicht durchzuwinden getrauten. Der Fahrende schreit unaufhörlich: 
„Platz, Platz!", damit Esel, Holz und kehrichttragende, entgegenrollende Kaleschen, 
lastschleppende oder freiwandelnde Menschen, Kinder und Greise sich vorsehen, aus¬ 
weichen, ungehindert aber der scharfe Trab fortgesetzt werde. 
Der Weg durch die äußersten Vorstädte und Gärten sollte schon auf etwas 
Plutonisches hindeuten. Denn da es lange nicht geregnet, waren von dickem, asch¬ 
grauem Staube die von Natur immergrünen Blätter überdeckt, alle Dächer, Gurt¬ 
gesimse und was nur irgend eine Fläche hat, gleichfalls übergraut, so daß nur der 
herrliche blaue Himmel und die hereinscheinende mächtige Sonne ein Zeugnis gab, 
daß man unter den Lebendigen wandle. 
Am Fuße des steilen Hanges empfingen uns zwei Führer, ein älterer und ein 
jüngerer, beides tüchtige Leute. Der erste schleppte mich, der zweite Tischbein den Berg 
hinauf. Sie schleppten, sage ich; denn ein solcher Führer umgürtet sich mit einem 
ledernen Riemen, in welchen der Reisende greift und, hinaufwärts gezogen, sich an 
einem Stabe auf seinen eigenen Füßen desto leichter emporhilft. 
So erlangten wir die Flüche, über welcher sich der Kegelberg erhebt, gegen 
Norden die Trümmer der Somma. 
Ein Blick westwärts über die Gegend nahm wie ein heilsames Bad alle 
Schmerzen der Anstrengung und alle Müdigkeit hinweg, und wir umkreisten nunmehr 
den immer qualmenden, Steine und Asche auswerfenden Kegelberg. So lange der 
Raum gestattete, in gehöriger Entfernung zu bleiben, war es ein großes, geisterhebendes 
Schauspiel. Erst ein gewaltsamer Donner, der aus dem tiefsten Schlunde hervortönte, 
sodann Steine, größere und kleinere, zu Tausenden in die Luft geschleudert, von 
Aschenwolken eingehüllt. Der größte Teil fiel in den Schlund zurück. Die andern 
nach der Seite zu getriebenen Brocken, auf die Außenseite des Kegels niederfallend, 
machten ein wunderbares Geräusch. Erst plumpten die schwereren und hüpften mit 
dumpfem Getön an der Kegelseite hinab, die geringeren klapperten hinterdrein, und 
zuletzt rieselte die Asche nieder. Dieses alles geschah in regelmäßigen Pausen, die wir 
durch ein ruhiges Zählen sehr wohl abmessen konnten. 
Zwischen der Somma und dem Kegelberge ward aber der Raum eng genug; 
schon sielen niehrere Steine um uns her und machten den Umgang unerfreulich. 
Tischbein fühlte sich nunmehr auf dem Berge noch verdrießlicher, da dieses Ungetüm, 
nicht zufrieden, häßlich zu sein, auch noch gefährlich werden wollte.
	        
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