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3. Wo die Reben dort glühen, dort braust
der Rhein,
Der Wütrich geborgen sich meinte;
Da naht es schnell mit Gewitterschein
Und wirft sich mit rüstigen Armen hinein
Und springt ans Ufer der Feinde.
Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.
4. Was braust dort im Tale die laute
Schlacht?
Was schlagen die Schwerter zusammen?
Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht,
Und der Funke der Freiheit ist glühend erwacht
Und lodert in blutigen Flammen.
Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.
5. Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnen¬
licht,
Unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod auf dem Angesicht,
Doch die wackeren Herzen erzittern nicht;
Das Vaterland ist ja gerettet!
Und wenn ihr die schwarzen Gefallenen fragt:
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
6. Die wilde Jagd und die deutsche Jagd
Auf Henkersblut und Tyrannen! —
Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und
geklagt!
Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,
Wenn wir's auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei's nachgesagt:
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
6. Gebet während der Schlacht.
1. Vater, ich rufe dich! '
Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze.
Lenker der Schlachten, ich rufe dicht
Vater, du führe mich!
2. Vater, du führe mich!
Führ' mich zum Siege, führ' mich zum Tode!
Herr, ich erkenne deine Gebote;
Herr, wie du willst, so führe mich!
Gott, ich erkenne dich!
3. Gott, ich erkenne dich!
So im herbstlichen Rauschen der Blätter
Als in dem Schlachten-Donnerwetter,
Urquell der Gnade, erkenn' ich dich.
Vater, du segne mich!
(III, Nr. 144: ' Aufruf 1813.)
4. Vater, du segne mich!
In deine Hand befehl' ich mein Leben;
Du kannst es nehmen, du hast es gegeben,
Zum Leben, zum Sterben segne mich!
Vater, ich preise dich!
5. Vater, ich preise dich!
's ist kein Kampf für die Güter der Erde;
Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte.
Drum fallend und siegend preis' ich dich.
Gott, dir ergeb' ich mich!
6. Gott, dir ergeb' ich mich!
Wenn mich die Donner des Todes begrüßen.
Wenn meine Adern geöffnet fließen;
Dir, mein Gott, dir ergeb' ich mich!
Vater, ich rufe dich!
3. War von Schenkendorf (1784—1817).
Er wurde zu Tilsit geboren. Für die Befreiung des Vaterlandes war er so
begeistert, daß er trotz einer Lähmung des rechten Armes 1813 mit ins Feld zog,
um überall tätig, hilfreich und anregend zu sein. In dieser Zeit entstanden seine
schönsten Lieder. Nach beendigtem Kriege war er Regierungsrat in Koblenz, wo er
1817 an seinem 34. Geburtstage starb.
In den Liedern dieses Dichters tritt uns eine von Arndt und Körner vielfach
abweichende Äußerung der patriotischen Empfindung entgegen. Bei den genannten
zwei Dichtern treffen wir einen glühenden Franzosenhaß an, der sich in derben, natur¬
wüchsigen Ausdrücken Luft macht; bei Schenkendorf finden wir meist eine eigentüm¬
liche Zartheit der Gesinnung und Sprache, die häufig bis zur religiösen Stimmung
sich steigert. Schenkendorf ist Romantiker und hat, wie diese, eine innige Liebe
für das deutsche Mittelalter, für den Glanz des alten Kaisertums. Er hält die
Wiedergeburt Deutschlands von der Wiedergeburt und Erstarkung des christlichen
Glaubens und Lebens unzertrennlich. Die Ursache für des Vaterlandes Unglück findet
er nicht in Napoleon, sondern darin, daß man von den Tugenden der Väter, von