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Rädern der Kanonen unb Fuhrwerke zermalmt, Andere suchten auf treibenden
Eisschollen das andere Ufer zu gewinnen und fanden in den Fluthen ihren
Tod. Zuletzt brach die Brücke, und was nun noch am andern Ufer war, siel
den Russen in die Hände. Wenige Tage daraus verließ Napoleon das Heer
und eilte in einem elenden Schlitten nach Warschau und von da nach Frank¬
reich, um ein neues Heer zu bilden. Nach seinem Abgänge löste sich alle Zucht
und Ordnung aus. Armselig, elend und zerlumpt kamen die Reste der großen
Armee in Deutschland an. So kläglich endete der stolze Heereszug des über-
müthigen Eroberers. Das war Gottes Finger!
II. Abschnitt.
Die Zeit der Befreiungskriege.
(1813 — 1815.)
§ 53. Das Jahr 1813.
1. Preußens Erhebung. Als die Kunde von dem Strafgerichte Gottes
über ,,die große Armee" in Rußlands Schneegefilden nach Preußen kam, ging
durch alle Herzen die freudige Ueberzengnng, daß jetzt die Stunde der Befreiung
für das theure Vaterland gekommen sei. Den ersten Schritt ans dem Wege
der Befreiung that der General Bork, der Führer der preußischen Hilfs¬
truppen, welche Napoleon nach Rußland hatten folgen müssen. Er schloß (am
30. December 1812) aus seine Verantwortung mit dem russischen General
Diebitsch eine Convention, nach welcher er alle Feindseligkeiten gegen die
Russen einstellte. Seine Offiziere waren über diesen Entschluß hoch erfreut;
er aber sagte: „Ihr habt gut reden, Ihr jungen Leute, mir Altem aber wackelt
der Kops aus den Schultern." An den König aber schrieb er am 3. Januar
1813: „Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt
haben sollte; ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht
als treuer Unterthan und wahrer Preuße gefehlt zu haben. — Jetzt oder nie
ist der Zeitpunkt, wo Ew. Majestät sich von den übermüthigen Forderungen
eines Verbündeten lossagen können, dessen Pläne mit Preußen in ein mit
Recht Besorgniß erregendes Dunkel gehüllt waren, wenn das Glück ihm treu
geblieben wäre; diese Ansicht hat mich geleitet; gebe der Himmel, daß sie zum
Heile des Vaterlandes führt! "
Dem Abfalle Bork's folgte nicht sofort Preußens Kriegserklärung an
Frankreich; zunächst wurde der Schritt des Generals noch gar nicht gut ge¬
heißen. Dagegen regte sich in der Provinz Preußen ein lebendiger Eifer für
die Sache des Vaterlandes. Stein, Bvrk und E. M. Arndt arbeiteten
an einer allgemeinen Landesbewaffnnng und waren die wichtigsten Kräfte in
der nach Königsberg berufenen Ständeversammlung. Da vermochte der König
dem immer lauter werdenden Drange seines Volkes nicht zu widerstehen. Weil
sich aber in der Mark französische Truppen zusammenzogen und somit für die
Person des Königs Gefahr drohte, so verlegte Friedrich Wilhelm seine Residenz