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Lichter steht der Obelisk des Sesostris, einst in dem fernen Heliopolis der Sonne
geweiht, ftemd und seltsam und zeigt die Hieroglyphen seiner rätselhaften Bilder¬
schrift. Es ist ein trefflicher chaldäischer Apparat für die Magie dieser Feuer¬
erscheinungen, welche die Sphinxe und der Obelisk hergeben, und aus den durch¬
glühten Dampfwolken ragen zauberisch beleuchtet die Pinien und die Zypressen
und die bunten, bizarren Figuren des Pincio, die Säulen mit den Schiffsschnäbeln,
die melancholischen dacischen Kriegssklaven und so viele andere im Lichtnebel hervor¬
schimmernde Marmorfiguren. Nun ist die Roma von Raketen umrauscht und von
Kanonenschlägen umdonnert und ganz übergössen von purpurner Flammenglut, ein
schönes Bild der ewigen Stadt, welche unter allen Kämpfen der Geschichte in ihrer
Majestät sich behauptet hat von der ersten Eroberung durch die barbarischen Gallier
bis auf die jüngste durch ihre Nachkommen.
Ein neuer überraschender Zauber — Feuerkaskaden ergießen sich von den Seiten
der Fassade den Monte Pincio herunter, es sind rauschende phosphoreszierende
Wellen, es ist das wirkliche Getön eines Wasserfalles, es find die Kaskaden von
Tivoli — wie prächtig und wie natürlich! Auch sie find erloschen; doch enden
nimmer die Sternraketen, welche angenehm unterhalten und das Auge beschäftigen,
und nun folgen wieder Feuerräder, Sprühlichter, Garben; das saust, zischt, knallt,
knattert, züngelt, raschelt — die ganze Atmosphäre ist in feurigen Dampf gehüllt,
und die Geister der Elemente scheinen als Tausende von Feuerkobolden, als ge¬
flügelte Lichtdrachen, Feuereidechsen, Feuerfliegen, Leuchtkäfer, Feuerschlangen den
tollsten Hexenkarneval in den Lüften zu halten oder auf feurigen Besen durch den
Himmel zu fahren.
Nun wieder Stille und Nacht. Auch die Fassade der gotischen Kirche ist mit
all ihren bunten Lichtarabesken erloschen. Jetzt aber steigen neue sonderbare Wesen
aus den märchenhaft schwankenden Pinien und Zypressen, Lorbeern und Blumen¬
gebüschen des Monte Pincio auf — es find leuchtende Geschöpfe, die sich langsam
erheben, es find Fische, die allmählich ausschweben und über die Porta del Popolo
den Sternen zuziehen. Diese wunderlichen Luftballons, in denen Lichter brennen,
steigen zu dreien, zu fünfen, einzeln, gruppenweise aus dem Gebüsch auf und
schweben in verschiedenen Richtungen fort, einige hoch, daß sie Sternen gleichen,
andere träge und niedrig; so durchschwimmen sie das smaragdene Luftreich. Hier
und da hascht ein Luftgeist einen Fisch und trägt ihn in die Weite; hier wieder
fängt einer Feuer und verlodert. Auch diese Erscheinung geht vorüber die letzte
©alüe von Kanonenschlägen donnert hinter der Roma, eine kleinere, letzte Girandola
von Raketen — ein Kanonenschuß, und alles ist erloschen.
Aber wer kann nach Hause kehren, in das dumpfe Gemach sich einzusperren,
da der Mond in seiner Fülle an diesem tiefblauen, unergründlichen Himmel schwebt
und diese ernsten Riesenmassen der ewigen Stadt mit magischem Lichtnebel beleuchtet!
Man muß Rom im Mondenschein durchwandern, dann beschwört man die Toten;
sie sprengen ihre Gräber und beginnen alle Ruinen zu beleben und zu umwandeln,
Könige und Kaiser, Helden und Weise, Päpste und Tribunen, Kardinäle und
Nobili des Mittelalters.
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