Full text: Prosa für die zweite und erste Klasse (Teil 3, [Schülerband])

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ihre Lebensfähigkeit zu verlieren. Aber sie von dem eigenen Körper fernzuhalten, 
ist nicht so schwierig, wenn nur die Oberfläche und nächste Umgebung desselben, 
vor allem die Luft immer rein gehalten wird. 
Zu den gesundheitswidrigen Wirkungen des Staubes gehört auch die, den 
Durst zu steigern und Heiserkeit zu verursachen, indem die Ablagerung der Staub¬ 
partikel auf der Schleimhaut diese zum Teil trocknet und die in ihr endigenden 
Nerven reizt. 
Es ist nur eine von den vielen Inkonsequenzen des Kulturmenschen, daß er 
Verstöße gegen die Reinlichkeit, sei es in der Kleidung, sei es bei Mahlzeiten, für 
unverzeihlich erachtet, aber die Luft unbedenklich atmet, welche von Verunreinigungen 
schlimmster Art strotzt. Ich kenne Ärzte, welche beim Krankenbesuch nicht die Tür¬ 
klinke berühren, weil unsaubere Hände sie erfaßt haben könnten und Patienten 
wirklich durch Verschleppung von einem Hause zum andern durch Unerfahrene 
infiziert worden sind. Aber alle Vorsichtsmaßregeln, alle Warnungen, Vorschriften 
der Ärzte werden in der Regel erst beachtet oder wenigstens angehört, wenn die 
Gesundheit bereits gestört ist. Gesunde pstegen oft gar nicht an die Notwendigkeit 
der Luftreinigung und der Zufuhr frischen Sauerstoffs, an die Schädlichkeit des 
Staubes und der Zimmerwärme zu denken, wenn sie abends stundenlang in 
geschlossenem Raume trinkend und rauchend, sich räuspernd, hüstelnd und hustend 
verweilen oder im Ballsaal und Theater sich unterhalten. Das Abstäuben und 
Scheuern, Kehren und Wischen befördert nur einen Teil des Schädlichen in der 
Einatmungsluft in den Kehricht, der durch Kanäle und Flüsse schließlich in das 
Meer gelangt und da erst unschädlich wird. Die der Vervollkommnung dringend 
bedürftigen Ventilationsvorrichtungen der Wohnhäuser in Deutschland ermöglichen 
nur selten die erforderliche Geschwindigkeit des Luftwechsels; die übliche Heizung 
mit den ungesunden Öfen und die Beleuchtung mit Gas und Petroleum verschlechtern 
die Hausluft ungleich mehr, als das gewöhnlich allzu zaghafte Lüften sie verbessert. 
Glücklicherweise ist einerseits durch die Zentralheizung, wo frische Luft erwärmt 
und in raschem Strome in die Wohnräume gelangt, andererseits durch die elektrische 
Beleuchtung eine Reform angebahnt, welche für die Erhaltung der Gesundheit von 
der höchsten Bedeutung werden wird. Ich sehe in einer nicht allzufernen Zukunft 
von Menschen vielbesuchte Gebäude nicht nur elektrisch beleuchtet, sondern auch 
elektrisch geheizt und erblicke allein schon wegen der Förderung der Gesundheit in 
der Elektrotechnik einen der größten Fortschritte der neuen erfindungsreichen Zeit. 
Bis dahin, bis der Rauch und die Verbrennungsprodukte der jetzt üblichen Lampen 
und Feuerungen, bis der Staub und Moder aus den Häusern im großen fort¬ 
geschafft sind, ist es die Pflicht jedes einzelnen, selbst für reine Luft zu sorgen, 
indem jeder sich nach und nach daran gewöhnt, bei offenem Fenster im Zimmer 
zu sein und, wenn er frische Luft nicht zu sich heranziehen kann, zu ihr sich hin¬ 
begibt. Der Kulturmensch muß mehr im Freien sein bei jedem Wetter. 
Jeder sollte es sich zur Lebensregel machen, zwischen zwei Mahlzeiten eine 
Weile im Freien zu sein, zu gehen oder zu schwimmen oder zu turnen, zu laufen, 
zu rudern, zu reiten, oder wenn zu derartigen Übungen die Gelegenheit fehlt, 
Heydtmann-Clausnitzer, Präparanden-Lesebuch. in. 10
	        
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