Vorwort zum Gesamtwert.
Bei der augenblicklich herrschenden Überproduktion von geographischen Unterrichts¬
werken ist es ein mißlich Ding, mit der Ankündigung eines weiteren Lehrbuchs der Erd¬
kunde hervorzutreten,- anderseits deutet doch gerade die rasche Kufeinanderfolge der
Geographiebücher mit ihren im einzelnen voneinander abweichenden Darstellungen
darauf hin, daß dem erdkundlichen Unterricht trotz des gewaltigen Kuffchwunges der
geographischen Wissenschaft und trotz der bedeutungsvollen, von Uirchhoff und Wagner
ausgehenden Reformen in der Methodik und Didaktik noch immer etwas problematisches
anhaftet.
hinsichtlich der Stoffauswahl besteht freilich im großen und ganzen Übereinstimmung.
Kußerste Beschränkung von Namen und Zahlen, Heraushebung des für die Gegenwart
und für die Kllgemeinbildung Bedeutsamen, des Typischen und Tharakteristischen von
Landraum und Bewohner — das ist heute ein von allen Geographielehrern anerkanntes
Gesetz, das ist auch bei der Kusarbeitung des vorliegenden Lehrbuches maßgebend ge¬
wesen. von allen persönlichen Liebhabereien der Stofsauswahl haben sich die Verfasser
ferngehalten. Entsprechend dem propädeutischen Charakter des geographischen Unter¬
richts der Schule suchen sie alle Seiten der Erdkunde möglichst gleichmäßig zu pflegen;
erst in dem Unterricht von der 3. Ulasse an wird eine leise Spezialisierung nach der wirt-
schasts- und verkehrsgeographischen und nach der nationalen Seite hin versucht. Es ist
kein Zweifel, daß die Forderungen der Zeit nach dieser Richtung hin weisen.
Kuch in der Methode besteht insofern Übereinstimmung, als die Notwendigkeit der
Uausalität, die Verknüpfung der geographischen Erscheinungsformen als unumgängliche
Kufgabe des Unterrichts anerkannt wird. wie in der Geschichte, so muß auch in der
Erdkunde neben dem „wie" und „was" vor allem das „warum" betont werden. Nur
auf diesem Wege ist es möglich, alle die in der Erdkunde liegenden vielseitigen
Bildungswerte voll zur Geltung zu bringen.
Kuch in der Anordnung des Stoffes hat sich ein gewisser traditioneller Gang des
Lehrverfahrens unter Anlehnung an das Muster der wissenschaftlichen Länderkunde ein¬
gebürgert: Man zerlegte die Landschaft in ein scheinbar wohlgeordnetes System der
einzelnen Bestandteile und führte den Schülern der Reihe nach Lage, Grenzen, Größe,
Oberfläche, Bewässerung, Rlima usw. vor. Das war zweifellos übersichtlich und be¬
quem. Bedenkt man aber, daß die Uarte im Mittelpunkt unseres Unterrichtes stehen
soll und daß die Uarte uns ein räumliches Nebeneinander versinnbildlicht, so bedeutet
dieses traditionelle Verfahren der logischen Stosfgliederung nichts anderes als eine Zer¬
setzung der Uarte, als eine Kuseinanderreißung der natürlichen Einheit. Man hat die
Teile in der Hand; das geistige Band, welches sie verknüpft, ist nur lose. wie äußer¬
lich bleibt der Nachweis der kausalen Verhältnisse! wie kühn mußte der Geograph von
echtem Schrot und Uorn die logischen Zäune überspringen, um zum wahren Wesen der
Erdkunde vorzudringen und in fester Gedankenordnung die Zusammenhänge erdkund¬
licher Erscheinungen aufzuweisen! wie schwierig bleibt vor allem die Bildung räum-
a