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4. Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd' ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß,
Und die Treue so.
5. Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Oual
Nimmer es vergißt!
6. Rausche, Fluß, das Thal entlang,
Ohne Rast und Ruh',
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodiken zu!
241. Lieder
(Aus ..Wilhelm 5
I. W. v
7. Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.
8. Selig, wer sich vor der Welt 5
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,
9. Was, von Menschen nicht gewußt,
Oder nicht bedacht, w
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.
es Harfners.
isters Lehrjahre".)
Goethe.
a.
1. Wer nie sein Brot mit Thränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Verkennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte! >
2. Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr laßt den Armen schuldig werden,
Dann überlaßt ihr ihn der Pein:
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
b.
1. An die Thüren will ich schleichen,
Still und sittsam will ich stehn;
Fromme Hand wird Nahrung reichen,
Und ich werde weiter gehn. 20
2. Jeder wird sich glücklich scheinen,
Wenn mein Bild vor ihm erscheint;
Eine Thräne wird er weinen,
Und ich weiß nicht, was er weint.
243. Mignon. . 25
(Aus .Wilhelm Meisters Lehrjahre.")
I. W. v. Goethe.
1. Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, 30
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! dahin
Möcht' ich mit dir, 0 mein Geliebter, ziehn.
2. Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach, 35
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, gethan?
Kennst du es wohl?
Dahin! dahin
Möcht' ich mit dir, 0 mein Beschützer, ziehn.
3. Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;
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