Full text: Poesie und Prosa für die dritte Klasse (Teil 1, [Schülerband])

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Auf Pfeilern und auf Bogen schwer, 
Aus Quaderstein von unten auf 
Lag eine Brücke drüber her, 
Und mitten stand ein Häuschen drauf. 
Hier wohnte der Zöllner mit Weib und 
Kind. 
„OZöllner, oZöllner, entfleuch geschwind!" 
Es dröhnt' und dröhnte dumpf heran. 
Laut heulten Sturm und Wog' ums Haus. 
Der Zöllner sprang zum Dach hinan 
Und blickt' in den Tumult hinaus. — 
„Barmherziger Himmel, erbarme dich! 
Verloren! Verloren! Wer rettet mich?" — 
Die Schollen rollten Schuß auf Schuß 
Von beiden Ufern hier und dort, 
Von beiden Ufern riß der Fluß 
Die Pfeiler samt den Bogen fort. 
Bald nahte der Mitte der Umsturz sich. — 
„Barmherziger Himmel, erbarme dich!" — 
Die Schollen rollten Stoß auf Stoß 
An beiden Enden hier und dort, 
Zerborsten und zertrümmert schoß 
Ein Pfeiler nach dem andern fort. 
Bald nahte der Mitte der Umsturz sich. — 
„Barmherziger Himmel, erbarme dich!" — 
Hoch auf dem fernen Ufer stand 
Ein Schwarm von Gaffern groß und klein, 
Und jeder schrie und rang die Hand, 
Doch mochte niemand Retter sein. 
Der bebende Zöllner mit Weib und Kind 
Durchheulte nach Rettung den Strom und 
Wind. 
Rasch galoppiert' ein Graf hervor, 
Auf hohem Roß ein edler Graf. 
Was hielt des Grafen Hand empor? 
Ein Beutel war es, voll und straff. — 
„Zweihundert Pistolen sind zugesagt 
Dem, welcher die Rettung der Armen wagt!" 
Und immer höher schwoll die Flut, 
Und immer lauter schnob der Wind, 
Und immer tiefer sank der Mut. — 
O Retter, Retter, komm' geschwind! — 
Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach; 
Laut krachten und stürzten die Bogen nach. 
„Hallo! hallo! Frischauf gewagt!" — 
Hoch hielt der Graf den Preis empor. 
Ein jeder hört's, doch jeder zagt, 
Aus Tausenden tritt keiner vor. 
Vergebens durchheulte mit Weib und Kind 
Der Zöllner nach Rettung den Strom und 
Wind. — 
Sieh, schlecht und recht ein Bauersmann 
Am Wanderstabe schritt daher, 
Mit grobem Kittel angetan, 
Von Wuchs und Antlitz hoch und hehr. 
Er hörte den Grafen, vernahm sein Wort 
Und schaute das nahe Verderben dort. 
Und kühn in Gottes Namen sprang 
Er in den nächsten Fischerkahn; 
Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang 
Kam der Erretter glücklich an. 
Doch wehe! der Nachen war allzuklein, 
Der Retter von allen zugleich zu sein. 
Und dreimal zwang er seinen Kahn 
Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang; 
Und dreimal kam er glücklich an, 
Bis ihm die Rettung ganz gelang. 
Kaum kamen die letzten in sichern Port, 
So rollte das letzte Getrümmer fort. 
„Hier", rief der Graf, „mein wackrer 
Freund, 
Hier ist dein Preis; komm her, nimm hin!" 
Sag' an, war das nicht brav gemeint? — 
Bei Gott, der Graf trug hohen Sinn. — 
Doch höher und himmlischer wahrlich schlug 
Das Herz, das der Bauer im Kittel trug! 
„Mein Leben ist für Gold nicht feil. 
Arm bin ich zwar, doch eß ich satt. 
Dem Zöllner werd' Euer Gold zu teil, 
Der Hab und Gut verloren hat!" 
So rief er mit herzlichem Biederton 
Und wandte den Rücken und ging davon. 
Hoch klingst du, Lied vom braven Mann 
Wie Orgelton und Glockenklang! 
Wer solches Muts sich rühmen kann, 
Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang. 
Gottlob! daß ich singen und preisen kann, 
Zu singen und preisen den braven Mann.
	        
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