— 123 —
Maschine machte die Eisenbahn dem Güter- und Personenverkehr im
großen nutzbar. In den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahr¬
hunderts wurden die ersten Eisenbahnen mit Dampfbetrieb gebaut.
Die älteste im deutschen Lande ist die von Nürnberg nach Fürth. Seit
der Zeit haben sich die Eisenbahnen derart vermehrt, daß es heute
kaum noch ein Dorf giebt, das nicht in nächster Nähe eine Eisenbahn
hätte oder mehr als einige Stuudeu davou entfernt läge. Mit der
Eisenbahn hat auch der Landstraßenbau gleichen Fortschritt gehalten,
so daß uuser Laud jetzt mit Eisenbahnen und Landstraßen wie mit
einem Spinngewebe überzogen ist, uud jeder Ort bequem erreicht
werden kann.
2. Weite Wegstrecken, die sonst mühsam und mit Gefahr zurück¬
gelegt wurden, werden heute schnell und bequem mit der Eisenbahn
befahren, und das Reisen kostet weniger Geld als früher. Ein Brief,
den man jetzt in 11/2 Tctg für 10 Pfg. durch gauz Deutschland schickt,
mußte zur Zeit der alten Posten mehrere Wochen gehen und wohl mit
3 Mark bezahlt werden. Mit der Paket- und Frachtbeförderung war
es noch schlimmer. Der Kaufmann bestellt jetzt seine Ware brieflich
und hat sie in wenigen Tagen im Hanse. Der Bauer kann ohne
großen Zeitverlust seine Einkäufe in der Stadt machen uud die Er¬
zeugnisse seiner Vieh- und Feldwirtschaft zum Verkauf dorthin bringen.
Er kann Kunstdünger und Futtermittel billig aus der Stadt beziehen
uud seiuen Überfluß schnell nach anderen Orten senden, denen seine
Erzeugnisse mangeln. Übergroße Teuerung oder gar Hungersnot, wie
sonst, können jetzt nur schwer entstehen; denn die Eisenbahn schafft
jedes brauchbare Ding schnell an seinen rechten Ort und läßt es zu
seinem rechten Werte kommen. Sie ist daher ber Menschheit zum
großen Segen geworden.
3. Aber auch manches Unheil hat die Eisenbahn im Gefolge.
Das bequeme und billige Reisen hat manchen verlockt, ber Heimat
leichtsinnig ben Rücken zu kehren unb in ber Frembe feilt Glück zu
suchen. Viele, bie sonst in ber Lanbwirtschaft Arbeit unb Brot fanden,
eilen jetzt ben großen Städten zu, weil sie glauben, bort wär's besser
als auf bem Dorfe. Viele von ihnen sin ben aber in ben Fabriken
und dumpfen Gassen der Stadt ein Leben, das gar bald Leib und
Seele verdirbt. So wachsen die Städte, uud dem Lande mangeln die
Arbeiter; die Stadtverwaltungen wissen oft nicht, wo sie Arbeit und
Brot für die hungernden Armen hernehmen sollen, während der Bauer
die Arbeit zur Erntezeit oft nicht zu bewältigen weiß. Dazu sin beit
die Erzeugnisse frember Länber jetzt immer leichteren Zutritt in unsere
Gauen unb machen unser Volk in bem Maße von ber Frembe ab¬
hängig, als sie seine Bedürfnisse mehreu und die Bodenbestellung
verändern. So mindert z. B. die große Einfuhr von fremdem Getreide
den Körnerbau, die Einfuhr der Baumwolle den Flachsbau, während
andererseits dadurch der Rübenbau und die Fabriken vermehrt werden.
4. Wie die Eisenbahnen ans dem Lande, so besorgen jetzt Dampf¬
schiffe den Verkehr ans den Flüssen und Meeren. Zn gleicher Zeit