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Hettel und Herwig liefen sich da an
Und kämpften vor den Scharen. Die Glut zu sprühn begann
Aus der Schilde Spangen, die ihre Händ' umhingen:
Da währt' es auch nicht lange, bis sie einander rechte Kund' empfingen.
Als da König Hettel so wunderkühn ersah
Herwig den stolzen. im Kampfe sprach er da:
Die mir nicht zum Freunde gönnten diesen Recken,
Die kannten ihn noch wenig: durch Panzer tiefe Wunden schlägt der Kecke.“
Gudrun die schöne sah und vernahm den Schall;
Das Glück ist rund und dreht sich im Kreise wie ein Ball.
Da den Streit die schöne Frau nicht konnte scheiden,
Dem Vater und dem Gaste wünschte sie was sie sich selber beiden.
Sie rief mit lauter Stimme zu ihnen aus dem Saal:
„Hettel, hehrer Vater, nun fließt hin zu Tal
Das Blut durch die Ringe: davon sind uns die Mauern
Besprengt allenthalben: bei solchen Nachbarn ist nicht auszudauern.
Mir zuliebe denket auf Frieden beiderseits.
Nun schaffet eine Weile Stillstand dieses Streits
Den Herzen und den Gliedern, daß auf meine Frage
Herwig, der Fürst, uns von seinen höchsten Sippen Kunde sage.“
Da sprach der edle Ritter: „Der Friede kann nicht sein,
Ihr laßt mich unbewaffnet denn zu Euch herein,
So will ich Euch Kunde von meinen Sippen sagen:
Soll der Friede gelten, so mögt Ihr, was Ihr immer wollt, mich fragen.“
4. Da ward der Streit geschieden zulieb der schönen Maid.
Sie gossen aus den Ringen die Glieder müd' vom Streit.
Vom Rost des Eisens ließen sie sich am Brunnen klären;
Den wohlgetanen Helden sah man gerne noch das Leben währen.
26. Mit hundert seiner Degen ging er, wo er fand,
Mit sich selbst entzweiet, von Hegelingeland
Gudrun, die ihn freundlich empfing mit andern Frauen;
Der Ritter kühn und edel mocht' ihr noch nicht völlig vertrauen.
Die Gäste hieß da sitzen das weidliche Kind.
Herwigs Tugend machte sie bald ihm hold gesinnt;
Auch durch edle Sitte behagt' er ihnen beiden:
Hilden und ihrer Tochter rieten alle, diesen Zwist zu scheiden.
Herwig sprach zur Frauen: „Man hat mir gesagt
Obwohl es jetzt Euch reue nach dem, was ich gewagt),
Daß Ihr mich verschmähtet geringer Ahnen wegen;
Doch finden oft bei Armen reiche Leute desto bessre Pflege.“
28. Sie sprach: „Die Euch verschmähte, die dünkt mich überhehr,
Wenn ihr ein Held so diente, daß sie dem abhold wär'.
Glaubet mir,“ sprach Gudrun, „ich würd' Euch nicht verschmähen.
Ich bin Euch so gewogen, als Ihr noch keine Magd Euch habt gesehen.
Wollten mir's vergöͤnnen die nächsten Freunde mein,
Nach Euern Wünschen wollt' ich immer bei Euch sein.“
Da blickt' er ihr ins Antlitz mit freudigem Hoffen:
Sie trug ihn im Herzen: das gestand sie vor den Leuten offen.
20. Urlaub Herwig begehrte, zu werben um die Magd,
Der kühne Degen bieder; das ward ihm zugesagt
Deutsche Bibliothet Band 1. Aufl. 14.
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