c^c^c^c^O'ics'ics'iO'i IX. Deutsches Familienleben,
wir einander abgelernt haben, welche Saite am willigsten und am wohl¬
klingendsten tönt, bis jedes von uns die zarten Stellen im Herzen
oder in der Laune des andern kennt, durch die man sich am gefälligsten
berührt und am wenigsten fehlgeht.
Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei Erfahrungen
über einander machen werden, die eine schöne Beschäftigung für uns
versprechen. Schon allein dieses, daß jedes von uns da seine Wünsche
anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so
leichte Kunst, aber sie belohnt augenblicklich und unaussprechlich.
Ich könnte Dich auf allerlei Eigenheiten in mir vorbereiten, aber
lieber will ich sie von Dir selbst finden lassen. Deine Blicke in
meine Seele müssen Dein eigen sein: was Du selbst entdeckst, wirst
Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht
an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Über¬
gängen wechseln. Sie haben mit unserer Liebe nichts zu tun. Diese
schnelle Beweglichkeit meiner Seele ist eine Eigenheit in mir, daran
Du Dich nach und nach gewöhnen mußt. Wie freue ich mich der
Zukunft, die uns alles dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt
aufhellen wird. — — — Schiller (an Lotte von Lengefeld).
VII.
Rudolstadt, den 27. Juli 1790 gegen 12.
Alles schläft schon um mich her, aber ich kann nicht eher ruhen,
bis ich Dir, teurer Liebster, einen guten Abend gesagt habe, jetzt
schläfst Du wohl; ach, mir ist’s immer, als müsste ich Dich auf¬
suchen, als hörte ich den Laut Deiner Stimme. Ohne Dich ist das
Leben mir nur ein Traum; ich bin nie da, wo ich scheinbar bin,
sondern meine Seele, meine besten wärmsten Gefühle sind nach Dir
hin gerichtet. Wie lebst Du? Um unsrer Liebe willen strenge Dich
nicht zu sehr an, mein einziger Lieber, arbeite nicht zu viel; es
kann mir so angst werden, daß Du Dir doch wirklich schaden
könntest ....
Wie klar fühle ich's täglich und jetzt, daß nur bei Dir, nur
unter Deinen Augen das Leben mir liebliche Blüten geben kann.
Arm und leer wäre mein Herz ohne Dich. Mein besseres Leben lebe
ich nur bei Dir. Ach, das Scheiden auf stundenlang tut mir schon
weh, und vollends auf Tage! Mir war es gestern so bang; eine
lange Trennung trüge ich nicht! Ich kann mich hier gegen niemand
aussprechen darüber; Linen würde es weh tun, wenn sie fühlte, wie
so weh es mir ums Herz ist. Ach, ich möchte ihr jetzt nur Freuden
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