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56. Denkfprrrch. (1809.)
Von L. Streckfuß.
Gedichte. Leipzig 1811. S- 21.
Im Glück nicht stolz sein und im Leid nicht zagen,
8 Das Unvermeidliche mit Würde tragen,
Das Rechte tun, am Schönen sich erfreuen,
Das Leben lieben und den Tod nicht scheuen,
Und fest an Gott und bess're Zukunft glauben,
Heißt leben, heißt dem Tod sein Bittres rauben.
is 57. Hermann, Deutschlands Befreier. Im September 9 n. Chr.
Von G. Duller und W. Pierson.
Geschichte des deutschm Volkes. Berlin 1874. Bd. I, S. 15.
Die Römer wußten sehr gut, daß die Widerstandskraft eines Volkes in seinen
Sitten und Einrichtungen wurzelt; daher versuchten sie nun, nachdem sie durch
»r Waffengewalt in Deutschland Fuß gefaßt hatten, die Germanen dadurch dauernd
zu unterjochen, daß sie deren Gebräuche und Verfassung römisch machten. Der
Mann, der diesen Versuch unternahm, war Quintilius Var ns. Aber dieser
übermüttge und lasterhafte Mann spannte den Bogen zu stark. Dem einfachen Ge¬
meinwesen der Deutschen suchte er ohne vermittelnden Übergang die Einrichtungen
»o des ausgebildeten römischen Staates aufzudrängen und vor allem den schlichten Leuten
ihr gutes altes Recht zu entwinden. Während sonst die Gauversammlung die ein¬
fachen Streitigkeiten nach Vernunft und Herkommen schlichtete, saß jetzt der Römer,
mit allen Zeichen der Gewaltherrschaft angetan, zu Gericht, urteilte nach den
römischen Gesetzen, welche der Anschauungsweise der Deutschen ganz fremd waren,
»s und diküerte entehrende, in diesem Land bisher unerhörte Strafen. Wie Knechte
behandelte er die freien Männer, nahm ihnen ihr Hab und Gut und beschimpfte
sie noch dazu. Die römische Steuerverfaffung, deren Zöllner in allen Teilen des
Reiches verrufen und verhaßt waren, wurde jetzt auch in Deutschland eingeführt;
wie der Sklave seinem Herrn, sollte der Deuffche den Römern eine Abgabe vom
so Ertrage seiner Hufe geben.
Dieser ungewohnte Druck regte nun die Deutschen zu ingrimmigem Hasse auf.
Keiner aber empfand die Unterdrückung mit größerer Scham und heißerem Zorn,
als der edle Cherusker Hermann (Armin), der Sohn Siegmars (Segimers), ein
Jüngling voll kühnen Mutes, voll Einsicht und Vaterlandsliebe, ausgerüstet mit
ss allen Gaben, welche dem Führer eines Volkes not' tun. Er war mit anderen
deutschen Jünglingen unter Römern erzogen, hatte sie auf ihren Feldzügen begleitet,
Bürgerrecht und Ritterwürde von Rom erhalten. Doch war sein deutsches Herz
rein und unverderbt geblieben, während sein Bruder fort und fort den Römern
diente und sogar seinen ehrlichen deuffchen Namen für den römischen „ Flavus"
so aufgab. Hermann lebte in Varus' nächster Umgebung, der ihn als einen römisch
Gesinnten betrachtete und in sein Vertrauen zog. Um so rascher erkannte der junge
Deutsche die Absichten des römischen Statthalters und das traurige Ende, welches
mit ihrer Erfüllung der deutschen Freiheit drohte. Er beschloß, sein Vaterland zu
retten. Doch mit offener Gewalt allein war nichts zu erreichen. Denn die Römer
«s waren im Besitz der festen Plätze, und ihre Übermacht im fteien Felde gegen die
todesmutigen, aber in der höheren Kriegskunst ganz unerfahrenen Deutschen war
eine oft erwiesene Tatsache. Die meisten Schwierigkeiten zu einem solchen Plane
fand aber Hermann im eigenen Volke. Da war jeder Mann, jede Hundertschaft,
jeder Gau stolz und eifersüchtig auf seine Selbständigkeit und daher jeder Unter-
M ordnung unter die Befehle eines andern abgeneigt. Auch beseelte nicht einmal alle