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!®enn Ihr noch mehrere braucht, so dürft Ihr mir nur Eure Steinhauer mitgeben, so will ich
Men zeigen, wie sie es anfangen müssen."
Denn der Knabe war Benedikt, unser Ziegenhirtlein. Er hatte nach der Abendsuppe, bei der
'hm seine Mutter von der neuen Kirche in Eichstädt erzählte, nicht mehr geschlafen, sondem ein
Gedanke, der ihm unter dem Essen gekommen war, hatte ihn durch die Hintertür hinaus auf s
Berg, wo seine Steine lagen, und von da mit ihnen in der mondhellen Nacht gen Eichstädt
betrieben, wohin er den Weg von dem Sandhandel her genau kannte. Seine Mutter erschrak
Mlich, als sie ihn in aller Frühe wecken wollte und das Nest leer fand. Und sie konnte nicht
Mmal gehen, ihn zu suchen oder ihm nachzufragen. Denn die Ziegen waren schon alle aus den
Ställen gelassen und standen meckernd auf der Gasse oder naschten von den Blumenstöcken vor den 10
6Mstern des Pfarrhauses. Übel oder wohl mußte sie tun, als wäre ihr Benedikt krank. Sie
"ahm Geißel und Stecken und trieb das Vieh selbst auf den Berg, wo sie den langen, langen Tag
""ter vergeblichem Warten und Sorgen zubrachte. Aber als sie abends hinter der gehörnten
Schar das Dorf hinunterging, kamen einige Maultiere herauf ihr entgegen. Auf dem vordersten
^aß ihr Benedikt, hinter einem Knechte des Fürstbischofs, und zwar so munter, daß die Witfrau rc
^gleich sah, es müsse ihm den Tag über nicht schlecht gegangen sein.
Und so war es auch. Der Bischof hatte sich sogleich für die Pflastersteine des Sandbuben
^schieden und die fremden Steinmetzen wieder in ihre Heimat entlassen, den Knaben aber mit
^ch in sein Haus genommen, gespeist und ihm versichert, daß er für ihn und seine Mutter sorgen
"'olle. Dann hatte er ihn mit dem Baumeister, der das Steinlager untersuchen sollte, nach 2«
Solenhofen zurückgehen lassen.
Der Bischof hielt Wort. Nachdem Benedikt bei einem Meister Steinmetz in Eichstädt in der Lehre
bewesen war, ließ er sich in Solenhofen nieder und hatte fortwährend so viele Bestellungen an
Pflaster- und Quadersteinen, daß es ihm und seiner Mutter nie mehr an dem täglichen Brot fehlte.
106. Bon -es Kaisen
Bon E.
Gesammelte Werke. Stuttgart 1883. Bd.
1. Im Schank zur goldnen Traube
Da saßen im Monat Mai
blühender Rosenlaube
Guter Gesellen drei.
2. Ein frischer Bursch war jeder,
Der erst' am Gurt das Horn,
Der zweit' am Hut die Feder,
Der dritte mit Koller und Sporn.
3. Es trug in funkelnden Kannen
Der Wirt den Wein auf den Tisch;
lustige Reden sie spannen,
Und sangen und tranken frisch.
4. Da war auch einer drunter,
Der grüne Jägersmann,
Vom Kaiser Rotbart munter
Zu sprechen hub er an:
5. „ Ich habe den Herrn gesehen
Am Rebengestade des Rheins,
Zur Messe wollt' er gehen
Wohl in den Dom nach Mainz.
6. „Das war ein Bild, der Alte
Fürwahr von Kaiserart!
Bis auf die Brust ihm wallte
Der lange, braune Bart."
Kehr«. Kriebitzsch, Deutsches Lesebuch. I.
Bart. (St. Goar 1843.) an
i. Geibet.
(Zugmdgedichte und Zeitstimmen), S. 170.
7. Ins Wort siel ihm der zweite,
Der mit dem Federhut:
„Ei, Bursch, bist du gescheite? 3c
Dein Märlein ist nicht gut.
8. „ Auch ich hab' ihn gesehen
Auf seiner Burg im Harz;
Ani Söller tät' er stehen,
Sein Bart, sein Bart war schwarz." »b
9. Da fuhr vom Sitz der dritte,
Der Mann mit Koller und Sporn,
Und in der Zänker Mitte
Rief er in hellem Zorn:
10. „So geht mir doch zur Höllen, 10
Ihr Lügner! Glück zur Reis'!
Ich sah den Kaiser zu Köllen,
Sein Bart war weiß, war weiß."
11. Das gab ein grimmes Zanken
Um weiß und schwarz und braun; «
Es sprangen die Klingen, die blanken,
Und wurde scharf gehau'n. —
12. Verschüttet aus den Kannen
Floß der vieledle Wein,
Blutige Tropfen rannen 5«
Aus leichten Wunden drein.
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