198
tage nämlich werden abends von allen Landgemeinden, Gütern und einzelnen
auf möglichst erhöhten Punkten Teerfässer entzündet, die an großen, strohumwunvene»
Fichtenstangen hängen. Jung und alt tanzt unter Frohlocken und Jubel den RinE
tanz darum, und zuletzt werden in die Feuertrümmer alte Tücher, Hüte u. s. w. F
Verbrennen geworfen. Der Tod, in Süddeutschland der Winter, wird ausgetriciB
verbrannt. Es gewährt ein überraschendes Schauspiel, Tausende solcher mit alle»
Fleiße genährter Flammensäulen von irgend einem Höhepunkte des Süntels diM
die weite Ebene gegenüber auf allen Gipfeln des Teutoburger Waldgebirges und E
Seite auf den vielen vorspringenden Bergrücken des Süntels leuchten zu sehen. Da
Osterfest, das seinen Namen eben von der Göttin Ostara hat, war schon vor
Christentum ein altgermanisches, heiliges Fest, das Frühlingsfest, das AuferstehE
fest der Natur. Der Göttin Ostara war der Monat April besonders geweiht, j*
in ihr eine eigene Gottheit, ob unter diesem Beinamen nur Frigga, Wodans
mahlin, verehrt wurde, steht noch zu ermitteln. Der Buckigau (Buchengau)
von seinen Buchen so, die noch heutigen Tages in seltener Größe und Schönheit Mj
gedeihen. So stehen z. B. auf dem Hohensteine, dem höchsten Punkte des DaE'
feldes, noch die riesigen Buchen, die einst die noch sichtbare Opferstätte unserer b'
heutzutage der „singrüne Altar" genannt, überschattet haben. Ihre Zweige uH
Äste hängen aber so stark und mächtig zur Erde nieder, daß man nur mit Mühe F
Fuße des Stammes durchzudringen vermag.
Trotz der verschiedenen Gebiete, die sich hier im Bereiche weniger Stunden w**
fernung berühren, hat doch das Volk sehr viele Erinnerungen aus ältester Zeit ijjj
eine Menge alter Sitten und Gebräuche in sich lebendig erhalten. So findet r
nicht nur in den Ortsnamen des jetzigen Marktfleckens Varenholz noch die
ziehung auf Varusholz, sondern selbst der Kindermund hat in folgendem AbzE
spruche die Erinnerung an Hermann, den Cherusker, bewahrt:
„Herman schlauk Lärm an
Mit Pipen un Trummen;
Din Kaiser ist kummen
,« Mit Hammer un Tangen,
Will Herman *) uphangen."
36
Aber auch in Lebensweise, Kleidung, Wohnung und sonstiger Beziehung .
sich viele altsächsische Bräuche und Sitten erhalten. Das volkstümliche Hafers
als Frühstück und die Gerstengrütze als Abendessen hat noch kein schwächender KE
36 verdrängen können; der weißleinene, mit roter Wolle gefütterte Kittel, kurze EE
kleider, Schuhe und Strümpfe, ein schwarzer, auf einer Seite aufgestülpter FÜF
bilden noch immer die allgemeine Bauerntracht der Männer.
Besonders viele eigentümliche Gebräuche zeigen sich auch bei der Ernte.
Dieselbe beginnt mit dem Mähen des Rübsamens. Für diese Zeit legen &
io beteiligten Schnitter, Knechte wie Taglöhner, entweder ganz neue oder sauber^
waschene weißleinene Kleidung an, die in kurzen, über den Hüften und unters
Knieen geschnallten Beinkleidern, weißleinenen Strümpfen mit Schuhen, kurzen 3^.
mit Metallknöpfen und roter Weste besteht. Auf dem Filzhute steckt rechts °
sogenannte Flinkerbusch, ein etwa fußhoher, mit Flittergold und roten, schrE
66 Bändern gezierter Federbusch. Selbst die Sense ziert ein rotes Band.
Die Mägde tragen kurze, dickfaltige, rote Röcke, schwarze Mieder, weiße StrülB
mit roten Zwickeln und Schuhe. Den Kopf deckt eine eigentümliche, kleidsame,..^
aufliegende Haube, deren vorderer Teil sich schnabelfömig auf die Stirne dr^'
*) In Simrocks „Kinderbuch" (Frankfurt 2. M. 1857, 0. 108) steht statt HennA
es „Hermen". Vielleicht sind die Hermen die Böcke des Gottes Thor, so daß also das Kindes
auf die unter Karl d. Gr. vorgenommenen Zerstörungen der Opferaltäre und Thorsäuleu beM
wird und dadurch eine mythologische Bedeutung bekommt.