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11. «Mel tapfre Vasallen gehorchen mir,
Beim ersten Winke bereit;
Fürwahr, ich bin eine Fürstin hier,
Und fehlt nur das Purpurkleid!"
12. Die Bettlerin hört's und rafft stch auf
Und steht vor der Schimmernden schon,
Und hält den weinenden Knaben hinauf
Und fleht in kläglichem Ton:
13. »OsehtdiesKind, des Jammers Bild,
Erbarmet, erbarmet Euch sein.
Und hüllet das zitternde Würmlein mild
2n ein Stückchen Linnen ein!"
14. „Weib, bist du rasend?" zürnt die
Frau,
«Wo nähm' ich Linnen her?
Nur Seid' ist all, was an mir ich schau',
Von funkelndem Golde schwer."
15. «Gott hüte, daß ich begehren sollt',
Was fremde mein Mund nur nennt!
O, so gebt mir, gebet, was Ihr wollt,
Und was Ihr entbehren könnt!"
16. Da ziehet Frau Hitt ein hämisch Ge¬
sicht
Und neigt sich zur Seite hin,
Und bricht einen Stein aus der Felsenschicht
Und reicht ihn der Bettlerin.
17. Da ergreift die Verachtete wütender
Schmerz,
Sie schreit, daß die Felswand dröhnt:
"O würdest du selber zu hartem Erz,
Die den Jammer des Armen höhnt!"
18. Sie schreit'S, und der Tag verkehrt sich
in Nacht,
Und heulende Stürme ziehn,
Und brüllender Donner rollt und kracht,
Und zischende Blitze glühn. &
19. Den stutzenden Falben spornt Frau
Hitt —
„Ei, Wilder, was bist du so faul?"
Sie treibt ihn durch Hieb' und Stöße zum Ritt,
Doch fühllos steht der Gaul. r«
20. Und plötzlich fühlt sie sich selbst so
erschlafft
Und gebrochen den kecken Mut:
In jeglicher Sehne stirbt die Kraft,
In den Adern stockt das Blut. i*
21. Herunter will sie sich schwingen vom Roß,
Doch versagen ihr Fuß und Hand,
Entsetzt will sie rufen dem Rittertroß,
Doch die Zunge ist festgebannt!
22. Ihr Antlitz wird so finster und bleich, -o
Ihr herrisches Aug' erstarrt,
Ihr Leib, so glatt und zart und weich,
Wird rauh und grau und hart.
23. Und unter ihr strecken sich Felsen hervor
Und heben vom Boden sie auf, -s
Und wachsen und steigen riesig empor
In die schaurige Nacht hinauf.
24. Und droben sitzt, ein Bild von Stein,
Frau Hitt im Donnergeroll,
Und schaut, umzuckt von der Blitze Schein, so
Ins Land so grausenvoll.
162. Bon der Ordnung in Förderung des fremden Gut- und
Wohlseins.
Von I. M. v. Laiier.
DlückseligkeitSlehre auS Gründen der Vernunft. München I7»s. TI. H, S. 619. ss
Es gibt eine Ordnung und Förderung des Gut- und Wohlseins, die in der Natur
derDmge, des Menschen und der Gesellschaft gegründet ist.... Um wahres Gut- und
Wohlsein zu fördern, o wirke, wenn du zuerst dich selbst kennen, beherrschen gelernt hast,
zunächst auf die, die in deinem Wirkungskreise zunächst um dich her gestellt sind.
Es ist eine gemeine Täuschung, in die Ferne wirken wollen, ehe man in der 4«
Nähe gewirkt hat. Es ist eine ungekannte Härte des menschlichen Gemütes, das
nächste Bedürfnis unbefriedigt lassen und ein anderes stillen wollen, das anderswo
Befriedigung finden kann. Es ist Pflicht, dein Licht in deinem Kreise zunächst
leuchten zu lassen. Es ist sogar gegen die Natur des Lichtes, die Finsternis um sich
her dulden und Licht in großen Entfernungen anzünden. Es ist eine Torheit, 1»
in dem Monde aufräumen wollen, ehe man die Erde gesäubert, und in fremden
timmelsstrichen fegen wollen, ehe man sein Haus gesäubert hat. Zwar wenn dein
ächster deine Hilfe zurückweiset und deinen Leuchter umstoßen will, dann magst du
deinen Wirkungskreis ändern, wenn du sonst das Recht und die Kraft hast, ihn zu
ändern. Aber im Mittelpunkte bleiben und nicht auf die Nächststehenden Wirkens«